Seite:Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied.pdf/2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
'Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied': Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied

die grossen Talente zu entwikkeln, womit die Natur ihn ausgerüstet hatte. Er entwikkelte sie aber auch so, daß er die Augen von ganz Deutschland auf sich zog, und sich die Hochachtung der grössesten Männer seiner Zeit erwarb.[1] Sein Verdienst dabei ist um so grösser, da er seiner Erziehung wenig zu danken hatte. Er fühlte es aber, daß ein Funke höhern Lichtes in ihm glimmte, rief ihn selbst hervor, blies ihn an, und bald ward er zur grossen, hellen, wohlthätig erleuchtenden und erwärmenden Flamme.

Sogleich nach dem Antritte seiner Regierung suchte er Ordnung in die zerrütteten Finanzen zu bringen. Sein zweites Geschäfte war, den Verfolgungsgeist der damaligen Zeit zu benuzzen, und allen denen, welche ihres Glaubens wegen Drangsale erlitten, in Neuwied einen sichern Zufluchtsort anzubieten. „Wen Gott nicht nur duldet, sondern sogar segnet, pflegte er zu sagen, den darf ich doch wohl auch dulden.“

Die Bedrängten eilten in grosser Menge nach Neuwied, und verpflanzten ihre mannichfaltigen Talente und Erwerbzweige dahin. Bald ward in dieser kleinen Stadt die Gottheit in siebenerlei verschiedenen Tempeln angebetet, und bald erhoben sich da, wo vorher Pfüzen waren und wildes Gras wuchs, Strassen, welche von thätigen und glüklichen Menschen wimmelten.

Der Graf suchte jedes verborgene Talent auf, wekte das schlafende, zeigte ihm den ihm von der Natur bestimmten Wirkungskreis an, unterstüzte es nach Kräften, und brachte es durch seine unermüdete Thätigkeit

  1. Nur einen Beweis aus vielen: Friederich der Einzige musterte einst in einem traulichen Zirkel, verschiedene Reichsstände, und bestimmte, wozu er sie gebrauchen könnte. Als die Reihe an den Grafen von Neuwied kam, bedauerte er, daß er diesen grossen Kopf nicht zum Staatsminister haben könne.