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'Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied': Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied

eine in der Bibel enthaltene Vorschrift. Soll ich das thun; so darf ich nicht essen, nicht trinken, nicht schlafen, nichts anders reden, ich muß mein ganzes Leben über anhaltend beten, sonst bin ich verdammt etc.“ Solcher lächerlichen Skrupel hekte seine Seele eine Menge aus, die immer wechselsweise Besiz von ihr nahmen. Da aber die angeführten hinreichend sind, dir einen Begriff von seiner Logik zu geben; so will ich es dabei bewenden lassen, und dir dafür noch etwas von seinem Morgengebete sagen.

Es war Gewissenssache für ihn, jeden Morgen das Unser Vater zu beten. Aber auch dieses schöne, einfache und kindliche Gebet gereichte ihm zur Marter, weil ihm seelenbange war, der liebe Gott mögte, wenn er es so nude et crude herbetete, den Sinn, der darin enthaltenen Bitten und Versprechungen weiter ausdehnen, als er ihn ausgedehnt wissen wollte. Er machte deswegen einen ausnehmend komischen Kommentar dazu, und verklausulirte sich darin so fein und behutsam gegen Gott, als wenn er es mit dem gefährlichsten Gegner zu thun hätte, welcher begierig nach jeder Blösse haschet, die er ihm durch irgend einen zu bestimmten Ausdruk geben könnte. Z. E. bei den Worten:

Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel! sezte er folgendes hinzu:

„Das will ich nun nicht so verstanden wissen, o Gott! als wenn von mir im eigentlichen Sinne der Worte dein Wille geschehen sollte, wie im Himmel. Das kann ich nicht versprechen, zumal da ich nicht weiß, wie er im Himmel geschieht. Nein! sondern ich will ihn thun, insofern er mir hienieden bekannt ist, wie du ihn geoffenbaret hast, und ich ihn nach meinen schwachen Kräften thun kann. Zu mehrerem kann ich mich hiemit unmöglich verpflichten, verwahre mich vielmehr dagegen bestens.“