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'Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied': Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied

Das Gesez kann dem Richter hier nur allgemeine Winke geben. Er selbst muß in einem bestimmten Falle den Umfang der Pflichten eines wegen Geistesschwäche Angeklagten, und die zu Ausübung dieser Pflichten erforderlichen Kräfte genau kennen, und dann als Philosoph aus Thatsachen entscheiden, ob jener den erforderlichen Grad von Geisteskräften besize, oder nicht? Will man das Amt eines Regenten nicht ganz lächerlich machen, so gehören, deucht mich, zu einem solchen Amte, wo nicht ausgezeichnete, doch ganz gesunde Geisteskräfte, und daß der Fürst von Neuwied diese nicht hatte, davon werden dich meine Briefe wohl sattsam überzeugt haben.

Laut öffentlichen Nachrichten sollen beinahe alle Vota in Regensburg für die Regierungsfähigkeit des Fürsten ausgefallen seyn. Das giebt mir die angenehme Zuversicht, daß er wieder genesen ist. Aber ich kann dir nicht bergen, daß ich vor einen Rükfalle zittre. Und wie gewöhnlich sind Rükfälle bei solchen Krankheiten!

Ich mag nicht an die traurigen Folgen denken, welche im Falle eines solchen Unglükkes unausbleiblich sind.

Mein Herz hängt zu warm an dem angenehmen, ehmals so blühenden Neuwied, und der liebenswürdigen Familie des Fürsten, als daß ich ohne Wehmuth mir sie unglüklich denken könnte. Die jungen Prinzen sind hofnungsvolle Pflanzen, und die zwei Prinzeßinnen? O wohl dem jungen Manne, dem das schöne Loos beschieden ist, sie ins Brautgemach zu führen! Er wird für einige Unannehmlichkeiten seiner Verbindung mit ihrem Vater reichlich entschädiget!

Dein P.