dennoch das deutsche Volk. Man fragt nicht mehr, ob Dieß oder Jenes gut, zweckmäßig, verständig, – man fragt nur, ob es konstitutionell sei. Hier ist man konstitutionell, indem man bestehenden Verhältnissen Rechnung trägt; dort ist man konstitutionell, indem man bestehende Verhältnisse nicht achtet; hier hält man scheinbar das gegebene Wort, um konstitutionell zu scheinen. Konstitutionell! schreit’s in allen Kammern, konstitutionell wispert’s an allen Höfen. Auf der Bierbank, hinter dem Ofen, in Eisenbahnwaggons und auf Bauernkarren, überall dreht sich das Gespräch um das Wort konstitutionell; überall fragt man: was ist konstitutionell?
Nun wohl denn, Ihr Konstitutionellen, ich will Euch eine Antwort auf Eure Fragen geben, die Hörner und Zähne haben soll! Ich will sie Euch zeigen, diese konstitutionelle Monarchie im Thierreiche, mit dem Alleinherrscher an der Spitze, der sogar seine eigenen Kinder tödtet, um sich auf dem Throne zu erhalten, mit der erblichen Pairie, gestützt auf die Nichtverpflichtung zur Arbeit, mit dem armen, gedrückten Volke, das seine rührende Sorge auf Pflegung der Kinder und Ernährung der Nachkommenschaft richten muß, und das nur zuweilen aus der Sklaverei sich aufrafft, um auf’s Neue wieder darin zu versinken! Ich will sie Euch zeigen, diese konstitutionelle Monarchie im Thierreiche, mit den geheimnißvollen Rädern ihres Regierungsorganismus, welche das Licht scheuen, mit ihren periodisch wiederkehrenden Revolutionen, die in der Existenz bevorzugter Stände beruhen, mit ihrer systematischen Verdummung des Volkes, mit ihrer planmäßigen Auferziehung eines verkümmerten, zur Arbeit und zur Entsagung verdammten Proletariats! Ich weiß zwar wohl, daß Ihr darum doch nicht klüger
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)