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den Drohnen, umgeben sei, und daß erst in weiterer Distanz die Arbeiter folgen. Dieß ist nicht der Fall – im Gegentheile sind es hauptsächlich die Laufmägde, die stärkeren Arbeitsbienen, welche die Königin stützen, tragen, umgeben – die trägeren Drohnen und die schwächeren Wartfrauen folgen unmittelbar. Vielleicht auch, daß in früheren Zeiten die Standesunterschiede der Bienen bei solchen öffentlichen Aufzügen mehr gewahrt wurden, daß die Drohnen das Vorrecht hatten, als Pairs in der nächsten Umgebung der Königin zu fliegen, daß sie dieses Privilegium aber unterdessen verloren haben. Wenigstens sprechen die Beobachter, welche nach der französischen Revolution aufgetreten sind, nicht mehr von dieser Thatsache, oder zeihen geradezu ihre Vorgänger der Ungenauigkeit. Vielleicht haben beide Recht, und es könnte aus dieser einfachen Thatsache ein sehr langsames Hinneigen des Bienenstaates zu mehr demokratischer Grundlage gefolgert werden. Wir lassen diese schwierige Frage, welche den Ausgangspunkt vieler verwickelter Untersuchungen für spätere Geschichtsforscher bilden mag, unerörtert – wahrscheinlich werden die Historiker Schleswig-Holsteins, nach rühmlicher Lösung ihrer denkwürdigen, gesetzlichen Revolution durch das Schwert Deutschlands und den befreundeten Dänenkönig, sich dieser Erspähung langsamen, gesicherten, legalen Fortschrittes mit Erfolg dereinst zuwenden[1].


  1. Ich sagte dieß im Beginne des Jahres 1850. Jetzt sind anderthalb Jahre vergangen – aus weiter Ferne dringt von Zeit zu Zeit ein Klageruf aus dem Norden an mein Ohr. Armes, betrogenes Volk, das jetzt vor dem Eroberer die Mütze ziehen muß, dem der dänische Korporal mit dem Stocke in der Hand den historischen Ruf zuherrscht: „Mütze ab!“ Es wird die Zeit kommen, wo der Schleier [52] über diesem blutigen Drama gelüftet wird, wo es sich zeigen wird, wie Bornirtheit und Niederträchtigkeit das Volk von Schleswig-Holstein betrogen und verrathen haben. Die Zeit wird aus dieser Epoche eine Anklage zusammenhäufen von furchtbarer Wucht, der die kräftigsten Schultern nicht zu widerstehen vermögen, geschweige denn diese geleimten Pappmaschinen der Statthalterschaft und ihrer Genossen. Man wird sehen dereinst, wie man einen unvernünftigen Nationalhaß so lange aufstachelte und nährte, bis der toll gewordene Bulle das Brett, welches ihm seine Leiter vor die Augen banden, für das Ziel seiner Kämpfe, und den Fallstrick, den sie ihm um die Füße warfen, für das Leitseil hielt, das ihn in der Schlacht lenken sollte. Das schleswig-holstein’sche Volk wird einsehen in der Folge, daß es für seine Sklaverei kämpfte, während es für seine Freiheit zu bluten glaubte. Die Lenker, welche es an die Spitze gestellt hatte, wußten schon im Jahr 1848, daß die von ihnen gerufenen Generale nur einen Scheinkrieg führten, daß weder Wrangel, noch Bonin, noch Prittwitz, noch Willisen ernstlich den Sieg über die Dänen wollten, sondern alle Mittel anwandten, ihn zu verhindern. Sie wußten dieß, deßhalb ließen sie beten für ihren Feind, deßhalb vernachlässigten sie die Hilfsmittel, welche das Vertrauen, das getäuschte Vertrauen des Volkes ihnen in die Hand [53] legte. Das Heer wurde nur so viel gebildet, als nöthig war, um der Komödie den Schein des Ernstes zu geben – je mehr die Zeichen des Verrathes sich mehrten, desto mehr hielt man darauf, es unter solcher Leitung zu lassen, daß seine Desorganisation jeden Augenblick möglich war. Alles trompete, paukte und lärmte in allen Theilen von Deutschland über die Sache Schleswig-Holsteins und keiner dachte daran, mit prüfendem Blicke vorauszuschauen und sich zu fragen: Welches Resultat wäre erreicht worden, wenn diese Statthalterschaft gesiegt hätte? Man prüfe das heute – die Antwort wird nicht schwer sein. Nach dem Siege würde man das Land zu den Füßen desjenigen gelegt haben, für den man während des Kampfes betete! Man würde Garantieen verlangt haben, höre ich rufen. Garantieen? Für wen? Für den Bauer, für den Hörigen, für den Proletarier, für den Arbeiter? O nein! Aber wohl für die Herren Etatsräthe, Pastore und für die edle Ritterschaft, jene Brutstätte der Augustenburge und ihrer Genossen! Welche Bürgschaften haben denn diese Menschen hergestellt für das Volk während der drei Jahre, innerhalb deren sie im Namen des Königs-Herzogs das Land regierten? Sagt es uns doch, wir bitten Euch. – – Wir kennen keine!
    18. Juni 1851.     
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Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)