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Unser Glück war dadurch um so größer, daß dieser Schlauberger uns nicht bloß aller Mühen enthob, sondern auch selbst zuverlässig war, wodurch wir viel Geld sparten.

Zuweilen gefiel es ihm, uns einige Brigantenstückchen vorzumachen. Eines Tages wanderte Hyvernat nachdenkend zu Fuß, während er den Arm durch den Zügel seines Pferdes gesteckt hatte. Das Pferd folgte ihm bereitwillig, ohne sich schleppen zu lassen. Plötzlich wollte Hyvernat sein Pferd besteigen und drehte sich um, aber von seinem Pferde war keine Spur zu sehen. Er hatte mindestens eine Viertelstunde lang nicht sein Pferd, wohl aber den Zügel über den Boden geschleppt. Diese Überraschung war unangenehm; wo war der Dieb? Nach fünf Minuten klärte sich das Geheimnis auf. Am Ende des Zuges kam Gegu, der sich vor Lachen kaum halten konnte, auf dem Pferde an, das er heimlich von dem Zügel losgemacht und fortgeführt hatte. – Ein anderes Mal sagte Gegu zu Hyvernat: „Vater, ich wette, Ihnen in zehn Minuten Ihre Taschenuhr zu stehlen“. Die Wette wurde abgeschlossen. Es waren noch keine zehn Minuten verflossen, als Gegu fragte: „Vater, wie viel Uhr ist es?“ Hyvernat fuhr nach der Uhrtasche, aber die Uhr war verschwunden. Dabei muß man noch bemerken, daß die Uhr mit einem Sicherheitsring an der Weste befestigt war, und daß Hyvernat auch noch durch die eingegangene Wette gewarnt worden war.

Wir hatten jeder ein Pferd, Hyvernat und ich; es fehlte uns noch jemand, der nach denselben sah. Wir wurden mit Sahto einig.

Auch Sahto ist ein Original. Als Findelkind ist er von den Missionaren erzogen worden. Dieser Teufelskerl war damals dreißig Jahre alt, wild wie ein Kurde, sorglos und naiv. Wenn er aber in Zorn gerät, gleicht er einem wilden Tiere. Seine größte Freude besteht darin, aller Welt einen Schabernack zu spielen. Auch spricht er französisch, aber auf seine Weise. Er hat etwas von dem Article partifif gehört, also daß man sagt: du pain, du vin, de l’eau und gebraucht deshalb, wo es geht und nicht geht, du und de. So z. B. sagt er: „Mon Pere, de conduire de cheval 1’écurie, de donner de manger?“ was heißen soll: „Soll das Pferd in den Stall geführt und gefüttert werden?“

Es bleibt jetzt noch das Gepäck zu erwähnen übrig. Die Anordnung und das Unterbringen desselben waren gleich schwere Wandlungen. Wir hatten in Tiflis ein sehr schönes Zelt gekauft, aber wir haben es niemals benützt. In den abscheulichen Ziegenpfaden Kurdistans hätte der Transport desselben stets ein Pferd in Anspruch genommen und mancherlei Scherereien verursacht; deshalb entschlossen wir uns in Wan, darauf zu verzichten. Zum Ersatz dafür ließen wir uns in Wan zwei Klappsessel und einen kleinen Reisetisch anfertigen.

Wir hatten zwei Kisten, die zur Aufnahme der Munition bestimmt waren, sowie der Lebensmittel und Kochgeschirre. Der Mundvorrat wurde sorgfältig geordnet und in einer Ergänzungskiste untergebracht; dagegen wurden die Küchengerätschaften schmählich vertrieben.

Wiewohl sie geraden Weges von Paris gekommen waren, fanden sie keine Gnade in Gegus Augen. Dr. Cuting hatte also vollkommen recht, als er uns abriet, europäische Kochgerätschaften benutzen zu wollen. Bloß zwei Feldkessel aus Weißblech wurden gebraucht und mit Öl gefüllt. Die Schmorpfannen ließ Gegu nach

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/215&oldid=- (Version vom 1.8.2018)