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seinem Gutdünken anfertigen. Der bekannte Schlauch, den wir in Tiflis erstanden hatten und den Gegu zärtlicherweise seine „Mutter“ nannte, wurde von neuem mit Wein gefüllt; angesichts der bevorstehenden Kälte wurde der Vorrat an Schnaps verdoppelt. Im übrigen muß es zu Gegus Ehre gesagt werden, daß er sich in der Anordnung der Kochkiste selbst übertraf. Sie wurde für uns eine Kiste wirklicher Überraschungen, die zu jeder Zeit ausgezeichnete Stärkungsmittel hergab.

Obgleich wir mit Kleidern gut versehen waren, waren wir doch noch nicht gerüstet, dem strengen Winter, der sich bereits ankündigte, Widerstand zu leisten. Glücklicherweise ist der Bazar in Wan sehr reichhaltig. Man findet daselbst einen europäischen Schneider und eine Menge Wollsachen. Durch kluge Berechnungen hinsichtlich der Kleidung kamen wir dann auch dazu, uns gegen die Kälte zu schützen. Unsere Stanleyhüte wanderten auf den Boden der Kiste. Sie sind übrigens nicht bloß unnötig, sondern sogar gefährlich, da sie zu sehr die Aufmerksamkeit der Bergbewohner erregen würden. Wir ersetzten sie durch den türkischen Fez, dem wir für die kälteste Zeit noch die Lesghienne hinzufügten, eine ausgezeichnete georgische Kapuze, die in zwei langen Zipfeln endigt, die entweder als Shawl gebraucht werden können oder auch als eine Art Turban.

Um meine Knie gegen die Kälte, den Schnee und den Regen zu schützen, ließ ich mir ein paar Beinkleider aus Ziegenfell machen, wobei die Haare nach innen kamen. Der Hinterteil der Hose fehlt. Es ist dies beinahe die Ausstaffierung des Vaccaro aus der römischen Kampagne, aber für eine Reise zu Pferd im Winter sehr zu empfehlen. Unser Bettwerk vermehrten wir noch durch zwei sehr große, eigens für diesen Zweck gesteppte Decken; manche schöne Nächte haben wir auf unsern Feldbetten, in diese Decken eingehüllt, gemütlich geschlafen. Weite kurdische Stiefel und nach Art des Pelzwerks gestrickte Strümpfe vollendeten unsere Kleidung. Diese letztern dienten uns aber wenig, da unsere europäischen Strümpfe hinreichend Schutz boten gegen die Kälte.

Nachdem unser Gepäck geordnet und die Lebensmittel ergänzt waren, blieben uns noch zwei große Schwierigkeiten zu überwinden. Wie sollten wir uns bis Mosul mit Geld versorgen, und woher sollten wir Pferde für das Gepäck und die Führer nehmen?

Die erste Frage war Dank der Liebenswürdigkeit des bereits erwähnten Kapamadschan bald gelöst. Wir gaben ihm unsere Wechsel auf Konstantinopel, was für ihn ein unerwarteter Vorteil war; dafür gab er uns eine Anweisung an seinen Korrespondenten in Bitlis. Wir waren dadurch in stand gesetzt, Wan ohne zu viel klingende Münze verlassen zu können, die in jenen Gegenden ein gefährliches Gepäck ist.

Schwieriger gestaltete sich das Mieten der Lastpferde. Da die Jahreszeit schon weit vorgerückt war, mußten wir bezweifeln, ob wir die Berge noch überschreiten konnten. Zugegeben, daß wir auch Mosul ohne Hindernis erreichten, so mußten doch die Katerdschis mitten im Winter leer nach Wan zurückkehren, wenn sie nicht den Frühling abwarten wollten, wo sie dann vielleicht eine neue Ladung für den Rückweg erhoffen konnten. Die ersten Unterhandlungen blieben darum auch ohne Resultat. Zudem merkte man, daß wir es eilig hatten, und wollte davon nach Möglichkeit profitieren. Endlich wurden die Patres mit Bekir Agha, einem ihrer

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/216&oldid=- (Version vom 1.8.2018)