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Nachbarn, handelseinig. Wir mußten sieben Lastpferde haben. Die Bedingungen waren freilich hart; für jedes Pferd pro Tag ein Medschidie, dann noch ein Medschidie pro Tag für den Unterhalt der drei Katerdschis.

Die Katerdschis waren: Bekir-Agha, ein großer magerer, ausgemergelter Teufelskerl, ein halber Straßenräuber, ein halber Stadtbürger, dazu ein lustiger Kumpan und ein außerordentlicher Läufer; er hielt stets Schritt mit unsern Pferden, bis diese müde waren.

Bekir-Agha.

Dann kam Reschid-Agha, Sohn. Der Vater ist ein angesehener Kurde, der Sohn aber etwas aus der Art geschlagen. Er ist stolz, ausdauernd, niemals weichend, die richtige Figur eines Strauchdiebes, das übrigens auch sein eigentliches Geschäft ist, denn er ist als eine gefährliche Persönlichkeit benannt. Er sorgt aber gut für seine Pferde. Seine Gegenwart war für uns viel wert, denn auf der ganzen Reiseroute ist sein Vater sehr geachtet. Wenn wir ihn nicht kränken und ihm ab und zu eine wohlwollende Bemerkung machen, wird er uns gute Dienste leisten.

Der dritte Katerdschi ist ein Bruder Bekir-Aghas, ein biederer Mensch ohne auffallende Merkmale.

Unsere Katerdschis sind weit entfernt von den persischen Tscherwadars, denen wir zuweilen die Knute anbieten durften, was hier schlecht am Platze wäre. Als Ersatz für die Tscherwadars sind diese Katerdschis in ihrer Wildheit und ihrem Anflug von Stolz doch im ganzen sympathische Figuren, und wir wurden bald gute Freunde, d. h. den Umständen nach, weniger aus aufrichtiger Neigung.

Es blieb jetzt noch die Waffenfrage übrig. Wenn man gewissen Personen glauben wollte, würde man sich bis an die Zähne bewaffnen; andere dagegen halten jede Bewaffnung für überflüssig. Beide Ansichten haben etwas Wahres an sich und ergänzen einander, müssen aber erklärt werden. Es ist sicher unerläßlich, in dem kurdischen Lande gut bewaffnet zu sein; namentlich sind weit tragende Flinten unentbehrlich; denn der Kurde, der oft ausgezeichnete Martinikarabiner besitzt, greift nie an, wenn er nicht der stärkere Teil ist. Es ist darum gut, wenn man ihm durch die Waffen imponieren kann, zudem muß sich auch die Bewaffnung nach der Wichtigkeit des Gepäcks richten.

Aber eben so richtig ist es auch, daß man sich selten der Waffen bedienen kann. Entweder wird der Reisende nicht angegriffen, dann haben die Kurden vor den Waffen oder sonst einem Umstande Bedenken, oder der Reisende wird angegriffen; dann haben die Kurden eine gute Beute gewittert und, da sie kluge Leute sind, auch ihre Vorsichtsmaßregeln so getroffen, daß jeder Vorteil auf ihrer Seite und ein Widerstand einfach unmöglich ist.

Wenn die Kurden den Überfall einer Karawane beabsichtigen, wählen sie meistens eine prächtige Schlucht; hinter jedem Felsen liegt ein wohl bewaffneter Räuber. Der Pfad bleibt frei, und auf ihm raucht ein Kurde nachlässig seine

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/217&oldid=- (Version vom 1.8.2018)