Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/242

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nach einem einstündigen Marsche erreichten wir eine anmutige Bucht, die nach Norden zu von einem isolierten, felsigen Vorgebirge abgeschlossen wird. An dem südlichen Ufer dieser kleinen Bucht bildet das Dorf Keswack das Pendant zu dem Vorgebirge. Das Dorf scheint aufzublühen. Wir fanden hier zum ersten Mal seit Giangetschin statt der flachen Terrassen spitze Dächer aus Stampferde.

Keswack hat eine alte armenische Kirche von hübscher Bauart. Sie ist in Form eines griechischen Kreuzes erbaut und von einer Kuppel überragt; die Seitenschiffe sind Gewölbe mit Bogen, die sich alle auf die vier Pfeiler stützen, welche die Kuppel tragen.

Unsere Wohnung in Tadwan.

Während wir die Kirche besahen, kam ein nach europäischer Art gekleideter Armenier zu uns, der sich für einen englischen Diener ausgab. Bescheidenheit war seine starke Seite nicht, denn er wußte uns so viel verdienstvolle Thatsachen zu erzählen, die er alle gethan haben wollte. Er beendigte seine Erzählung damit, uns einen Handel vorzuschlagen. Er bot uns ein Pferd an, eine Flinte und noch mancherlei Artikel, die wir indes nicht gebrauchen konnten. Wir ließen ihn schließlich stehen und setzten unsern Weg fort.

Der letzte Teil des Weges ist viel malerischer, aber auch schwieriger. Aufsteigen wechselte mit Absteigen ab. Überall, wo der Weg durch eine Schlucht führte, zwangen uns Anhäufungen des Schnees, einen Umweg zu nehmen. Zum Glück hatte das Tauwetter uns den Rest des Weges ziemlich freigemacht; wären wir acht Tage früher gekommen, so hätten wir wahrscheinlich nicht durchkommen können.

Der Nimrud-Dagh erscheint in dem Maße majestätischer, je mehr man sich der Bai von Tadwan nähert, deren anmutige Eiform hier das äußerste Ende des Sees bildet. Man kann hier bald die Wasserscheide zwischen dem Becken von Wan und dem Becken des Tigris merken. Sie ist zwar von solch geringer Höhe und so

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/242&oldid=- (Version vom 1.8.2018)