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Der Bazar Mosuls scheint weniger gut ausgerüstet als der von Wan; aber dafür ist er auch mehr orientalisch und frei von dem halbeuropäischen Anstrich, der dem in Wan das Malerische nimmt; man stößt und drängt sich nach Herzenslust darin herum.

Nahe bei dem Fluß haben die Lohgerber ein ganzes Viertel in Beschlag genommen. Obgleich es Winter war, machte sich hier doch noch ein durchdringender Geruch bemerkbar; hier halten die Leute diese Beschäftigung für sehr gesund und tragen oft ihre Kranken hierher, damit diese die Luft daselbst einatmen sollen.

Es muß jetzt der „Nagel“ Mosuls, seine Brücke, erwähnt werden.

Eines schönen Tages wurde in dem Rate der Hohen Pforte entschieden, daß Mosul an Stelle der Schiffbrücke, die bis dahin die Stadt mit dem linken Ufer verband, eine steinerne Brücke haben sollte. Man begab sich ans Werk, und da der Tigris sehr starkes Hochwasser hat, begann man die Brücke an einer Stelle zu erbauen, die gewöhnlich trocken ist und die nur bei Hochwasser überschwemmt wird.

Brücke von Mosul.

Der Bau schritt ohne Schwierigkeiten voran, und die Brücke, die bereits eine sehr schöne Größe erreicht hatte, schien ein würdiges Denkmal der verjüngten Türkei zu werden. Das Werk war bereits bis zu dem eigentlichen Bette des Tigris gediehen; da wurde plötzlich die Arbeit eingestellt. Anstatt die Brücke weiter zu bauen in das Wasser des Tigris, hingen die Ingenieure an den letzten Bogen der Brücke eine schiefe Ebene, die die alte Schiffbrücke mit der neuen, festen Brücke verbindet. Damit ist alles fertig; die Brücke steht da, das Geld dafür ist wahrscheinlich ausgegeben, und niemand spricht noch davon.

So hat Mosul also auf dem Festlande eine herrliche Brücke und auf dem Fluß eine gebrechliche Schiffbrücke. Jedermann wird diesen Zustand nur als echt türkisch bezeichnen können.

Man wird die Sache wohl dahin erklären können, daß die zu Extraausgaben vergeudeten Gelder in dem kritischen Moment gefehlt haben.

Nichts schließt diese Annahme aus; indes hat mir eine sehr ernste Persönlichkeit versichert, daß man die Absicht gehabt hätte, die Brücke nur bis zu dem Bett des Flusses zu bauen, da diese Brücke nur bei Hochwasser dem Verkehr dienen sollte. In diesem Falle kann ich aus der ganzen Anlage nicht klug werden, denn bei Hochwasser wird der Strom reißend, und die Schiffbrücke wird zur Vorsicht an

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/291&oldid=- (Version vom 1.8.2018)