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Hier treibt sich eine kompakte Menge Bittsteller umher, in deren Mitte der arme und ewig hungrige türkische Beamte wandelt.

In diesem baumarmen Lande hatte ein Ingenieur den glücklichen Einfall gehabt, den großen Raum zwischen den Wällen und dem Konak in eine Promenade zu verwandeln. Eine Allee von Bäumen faßte den Weg ein, und bereits begann ein öffentlicher Garten zu entstehen. Aber die Bevölkerung war für eine solche Neuerung noch nicht reif; die Blumen hatten kaum Wurzeln geschlagen, als auch schon die eine nach der andern verschwand, um in einem Privatgarten einen bessern Boden zu finden. So lange der Ingenieur in Mosul blieb, wurden die Bäume der Allee verschont; aber nach seiner Abreise begann auch bei diesen die Plünderung. Es war den Einwohnern Mosuls doch bequemer, sich gratis wärmen zu können, als das Holz teuer zu bezahlen, das auf den Kelleks weither gebracht werden muß.

Der Wali Fahid Pascha ist schon alt. Er ist ein Mann der „Alten Türkei“, von unbedeutendem Ansehen. Er empfing uns ganz freundlich; aber da er kein französisches Wort versteht, so geschah die ganze Unterhaltung durch die Vermittlung des Konsuls.

Da der Oberst der Gendarmerie sich auch bei dem Wali befand, so lenkte Sioufi das Gespräch auf den oder die Zabtiehs, die uns von Mosul nach Baghdad begleiten sollten. Da wir die Reise auf dem Kellek machten, so mußte der Zabtieh zu Fuß zurückkehren, also eine Reise von zehn Tagen zu machen haben. Da ihm kein Pferd zur Verfügung stand, war die Sache nach der Aussage des Oberst durchaus unmöglich. Nach verschiedenen Unterredungen, die nicht zu dem gewünschten Ziele führten, brachte der Konsul endlich ein großes Argument vor und sagte: „Nun, Sie werden also keine Begleitung geben, aber dann müssen Sie Bürge sein für die Sicherheit der Reise und alle Verantwortung für jeden Zufall, der diese Herren trifft, übernehmen.“ Diese Garantie konnte aber nicht gegeben werden, denn vor kurzem war noch ein Kellek geplündert worden. Um nicht feige die Waffen zu strecken, verlangte der Oberst die Vezirsbriefe Hyvernats zu sehen. Er durchlas sie langsam, erklärte jedes Wort und erkannte dann schließlich, daß die Briefe uns zu Persönlichkeiten stempelten, die wohl einen Zabtieh verdienten.

Nachdem die Angelegenheit beendet war, lud uns der Wali zum Diner sofort nach der Sitzung ein. „Sie können es nicht gut abschlagen,“ sagte Sioufi zu uns, und so begaben wir uns denn in den Speisesaal und dachten, eine improvisierte Mahlzeit anzutreffen; aber wir hatten uns getäuscht, ein wirkliches Festmahl wartete unser. Aber weshalb wurden wir erst im letzten Augenblick eingeladen? Vielleicht ist dies eine Eigentümlichkeit der türkischen Sitten. Das Essen war reichlich und bestand aus wenigstens zehn Gängen, bald süß, bald salzig, aber alle sehr gut zubereitet. Da Fahid Pascha ein strenggläubiger Mohammedaner ist, kam kein Tropfen Wein auf den Tisch. Es war ganz anders als in Wan, wo Khalil Pascha alle Weinhändler des Bazars aufs Trockene setzt, wenn er ein Mahl giebt.

Die natürlich sehr schläfrige Unterhaltung ließ uns das Diner schrecklich lang erscheinen. Um Mittag entfernten wir uns, damit der Wali sein Gebet verrichten konnte.

Mgr. Benham Benni, der syrisch-katholische Bischof, ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in Mosul. Er ist sehr gläubig und gebildet und dazu auch ein angenehmer Gesellschafter.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/297&oldid=- (Version vom 1.8.2018)