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An Schlafen brauchte aber keiner zu denken; die arabischen Packträger und die persischen Pilger machten einen höllischen Lärm. Um fünf Uhr des Morgens lichtete der Khalifah die Anker.

26. Januar.

Unternehmende Engländer haben vor einer Reihe von Jahren hier schon „The Euphrates Steam Navigation Company“ (Euphrat-Dampfschiffahrts-Gesellschaft) gegründet.

Ein Firman des Sultans erlaubte dieser Gesellschaft, mit zwei Schiffen den Schatt-el-Arab und den Euphrat zu befahren. Auf dem Tigris sollte eine türkische Gesellschaft den Schiffsdienst besorgen. Aber bald merkten die Engländer, daß die Schiffahrt auf dem Euphrat gefährlich und zugleich wenig einträglich sei. Eines schönen Tages fuhren die englischen Schiffe den Tigris hinauf und legten in Baghdad an, und die Gesellschaft nannte sich jetzt: The Euphrates and Tigris Steam Navigation Company. Die türkischen Beschwerden verhallten[WS 1] ungehört, sei es durch Einschüchterungen oder das unvermeidliche Backhschich. Jedoch hat die Gesellschaft die Beschränkung hinsichtlich der Zweizahl der Schiffe bis jetzt beachtet.[1]

Um sich dafür in etwa schadlos zu halten, baute die Gesellschaft sehr große Schiffe. Der Khalifah ist ein Raddampfer mit ebenem Fond, 215 Fuß lang und 32 Fuß breit mit 400 Tonnen Inhalt. Leer hat er bloß zwei Fuß Tiefgang, beladen aber 5½. Die Einrichtung ist zweckmäßig. Die für die Reisenden bestimmten Kabinen sind groß und bequem eingerichtet. Die Offiziere sind zuvorkommend. Alle Matrosen sind Chaldäer von Tell-Keïf.

Unterhalb Baghdads macht der Tigris scharfe Wendungen und hat viele Inseln und Sandbänke. Deshalb ist die Fahrt für ein so großes Fahrzeug, wie für unsern Khalifah, nicht leicht. Das Auffahren kommt ziemlich häufig vor; oft mußte schon das ganze Gepäck ausgeladen werden, um das Schiff durch Ziehen an den Ankern wieder flott zu machen.

Kurze Zeit nach dem Verlassen Baghdads kamen wir an der Mündung des Diyala vorbei, und bald nachher sahen wir die bewundernswerten Ruinen des Palastes des Königs Khosroes, Tak-i-Kesra – die wenigen Überbleibsel von Ktesiphon.

Der Tigris beschreibt bei Ktesiphon eine außerordentlich lange und enge Kurve; die Reisenden, die den Fluß hinauf fahren, können das Schiff verlassen, die Ruinen besuchen und sich an der andern Seite der Krümmung wieder einschiffen. Beim Fahren zu Thal ist dies selbstredend nicht möglich. So konnten wir also nur von ferne diese kolossale Fassade betrachten, in deren Mittelpunkt sich ein Iwan öffnet, der alte Thronsaal des Khosroes; das Gewölbe soll, wie Reisende versichern, die kühnsten Formen aufweisen, die man jemals gesehen hat. Bis zu den letzten Jahren war die Fassade ganz unversehrt. Heute ist der Teil zur Linken des Zuschauers eingestürzt. Dieses bewundernswerte Gewölbe ist nun seiner Stütze beraubt und so dem Einfall in kurzer Zeit anheimgegeben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: verhalten
  1. Die Gesellschaft macht gute Geschäfte; man sagte uns, daß die Dividenden zwischen 12 und 25% schwankten. Die Aktien sind in den Händen einiger Geschäftsleute aus Baghdad und einiger englischer Unternehmer.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/359&oldid=- (Version vom 1.8.2018)