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machen; selbst in Musikblättern von bedenklicher Tendenz tauchten überraschend gewichtige Erklärungen für mich auf. Dies geschah von Seiten jedes der verschiedenen Verfasser aber genau nur einmal. Sofort verstummten sie wieder, und benahmen sich im Verlaufe der Dinge nach Umständen sogar feindselig gegen mich. Dagegen tauchte zunächst ein Freund und Bewunderer des Herrn Ferdinand Hiller[WS 1], ein Professor Bischoff[WS 2], in der Kölnischen Zeitung mit der Begründung des von jetzt an gegen mich befolgten Systemes der Verleumdung auf: dieser hielt sich an meine Kunstschriften, und verdrehte meine Idee eines „Kunstwerkes der Zukunft” in die lächerliche Tendenz einer „Zukunftsmusik”,[WS 3] nämlich etwa einer solchen, welche, wenn sie jetzt auch schlecht klänge, mit der Zeit sich doch gut ausnehmen würde. Des Judenthums ward von ihm mit keinem Worte erwähnt, im Gegentheil steifte er sich darauf, Christ und Abkömmling eines Superintendenten zu sein. Dagegen hatte ich Mozart, und selbst Beethoven für Stümper erklärt, wollte die Melodie abschaffen, und künftig nur noch psalmodiren lassen.

Sie werden, verehrte Frau, noch heute, sobald von „Zukunftsmusik” die Rede ist, nichts Anderes vernehmen als diese Sätze. Bedenken Sie, mit welch machtvoller Nachhaltigkeit diese absurde Verleumdung aufrechterhalten und verbreitet worden sein muß, da neben der wirklichen und populären Verbreitung meiner Opern sie fast in der ganzen europäischen Presse, sobald mein Name erwähnt wird, sofort als ebenso unangefochten wie unwiderlegbar, mit stets neu verjüngter Kraft, auftritt.

Da mir so unsinnige Theorien zugeschrieben werden konnten, mußten natürlich auch die Musikwerke, welche aus ihnen hervorgegangen, von widerlichster Beschaffenheit sein: ihr Erfolg mochte sein, welcher er wollte, immer blieb die Presse dabei, meine Musik müsse so abscheulich sein wie meine Theorie. Hierauf war

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Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik (1869). J.J. Weber, Leipzig 1869, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wagner_Das_Judenthum_in_der_Musik_1869.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)

  1. Ferdinand Hiller (1811-1885), Komponist, Dirigent und Musikkritiker. Wagner war ihm zunächst freundschaftlich verbunden, versuchte dann (vergeblich) "2000 Thaler zu 5% Zinsen auf zwei Jahre" (Brief vom 22. Februar 1845) von ihm zu leihen und verriss schließlich in einem Artikel dessen Buch Aus dem Tonleben unserer Zeit im Oktober und November 1867 anonym in der Süddeutschen Presse, den er dann zusammen mit den Schmahschriften über Riehl, Rossini, Devrient und den "Aufklärungen über das Judenthum in der Musik" in die Abteilung "Censuren" in den Band 8 seiner Gesammelten Schriften aufnahm.
  2. Ludwig Bischoff (1794-1867), Gründer der „Rheinischen Musikzeitung“ zu Köln.
  3. „Das ist nun nicht ganz zutreffend. Ludwig Bischoff verwendete den Ausdruck erst 1859 in Nr. 1 der Niederrheinischen Musikzeitung. Der Begriff ‚Musik der Zukunft‘ war schon 1847 verbreitet, als vor allem Chopin, Liszt und Berlioz als Zukunftsmusiker galten. Das Wort ‚Zukunftsmusik‘ kommt dann nachweislich zum erstenmal in einem Brief von Louis Spohr vom 26. November 1854 vor, und die ‚Signale für die musikalische Welt‘ schrieben 1856 in einem Bericht über Liszts Berliner Konzert: ‚Wenn man mit einem Wort sagen wollte, worin eigentlich das Wesen dieser Zukunftsmusik besteht…‘ Der alte Bischoff mußte nur als Prügelknabe herhalten. Niemand anderes hat dann mehr zur Verbreitung des Begriffs beigetragen als Richard Wagner selbst durch seine Erwiderung ‚Zukunftsmusik‘“ (Gregor-Dellin, S.876). Wagners Broschüre „Zukunftsmusik“ erschien 1861 in Leipzig bei J.J. Weber.