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Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Nacht-Fragment

Bald hat dies, hat dies alles ausgeschlagen.
Was muß ich noch im machtvoll einsamen Nachtbahnhof stehn
Und sehn, daß Lichter sind und Träger gehn,
Die Felsen tragen und sehn die schon verblichenen Wagen?

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So vieles weiß ich mit mir, Herz- und Atemschreiten.

– Ein Pikkolo schläft, ein Schutzmann schaut in den Wind. –
Wer weiß es denn, wie sehr wir alle beisammen sind.
Auch deine leichten Schlafseufzer, Fernste, fühl’ ich mit mir gleiten.

Gestern, wie tauchtest du in Astern dein Gesicht!

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Und tanztest mit den Zähnen, tanztest mit den frechen Knien.

Und ach, dein Gemsenlachen, das mich zu höhnen schien,
Nun ist es eingestimmt in mich, o Nacht, und weiß es nicht!

Auch du Azucena, Mutter, von Traum zu Traum,
Suche den klaren Jungen im Waldpensionat!

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Eng ist die Erd’. Wie fand ich deinen Pfad?

Wir seh’n uns an und schweigen im gleichen Raum.

Ihr Unerreichbaren all’, die wir voneinander wissen,
Wie sind unsre gleichen Hände uns fremd!!
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Empfohlene Zitierweise:
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)