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Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Ein geistliches Lied

Wir drehen uns vorüber
An einem Lämpchen, einem Mann.
Uns reißt etwas hinüber,
Und letzte Sehnsucht faßt uns an.

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Wir werden nie uns haben,

Denn Formsein packt uns herrisch ein.
Und sind wir einst begraben,
Wird Staub dem Staub noch feindlich sein.

Am Gitter der Slowake

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Spuckt aus und wischt sich seinen Mund.

Ein anderer hebt die Hacke
Und näher schwebt ein brauner Hund.
Wenn sie vorüberspülen,
Bestürzt uns Lieb’ zu Fleisch und Stein,

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Doch wie wir Körper fühlen,

Muß Ekel unsre Antwort sein.

Verheißung letzter Treue
Ist unsrer Augen Bruderlicht,
Aus dem die Winterbläue

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Der ungedämmten Himmel bricht.

Daß wir dereinst uns finden
In den Gefühlen ohne Sprung.
Durch uns, in uns verschwinden
Und Schwung sind, nichts als Schwung und Lieb’ und jagende Begeisterung.

Empfohlene Zitierweise:
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)