Seite:Werfel Wir sind 1913.pdf/83

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Und plötzlich wußte sie sich stehn in aller Feindschaft dieser Welt,
Und ließ die lieben Füße lächelnd, dem Tier, das bellt.

15
Wußte, daß durch die Himmel jetzt wachsende Gestirne wehn,

Wußte, daß lumpige Kinder vor scheußlichen Asylen stehn.

Wußte, daß eine Kerze wo einem Tod zuschaut.
Wußte ein Schreckenstelegramm im Zimmer einer Braut.

Wußte, daß jetzt der Blizzard ein weißes Zelt umknallt.

20
Wußte, daß eine arme Frau Holz stiehlt in einem Wald.


Wußte, daß ein Verbrecher umtaumelnd in der Zelle brüllt.
Wußte, daß jetzt ein Kranker die Decke rasend zerknüllt. –

Wußte (im höchsten Skandal) ihr Leid im ganzen Leid.
Um ihre Stirne brannte Gottes Feuer und Heiligkeit.

25
Und als im Frack der Regisseur, weinend, im Proszenium stand,

Sank sie, ein leiser Engel, den Edeldamen in die Hand.

Empfohlene Zitierweise:
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)