Seite:Werfel Wir sind 1913.pdf/84

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.

Die Damenkapelle

Wißt ihr es denn, die ihr an Tischen sitzt,
Am Rauche der Pleureusen euch erhitzt,
Die ihr den Tag, betreibend durchgebracht,
Wie diesen Frauen hinschwebt eine Nacht?

5
O seht sie an! Sind sie von dieser Welt?

Sind sie nicht Schatten, fern in Wind gestellt?
Die steht und geigt und starrt ins schwere Nichts,
Die andere flötet schwindenden Gesichts.

Ihr Frauen, sprecht, wo geht das Licht euch auf,

10
Und was begleitet euern Atem-Lauf?

Und was für Speisen sind euch zugeteilt?
Und welcher Name ist’s, der in euch weilt?

Liebt ihr euch, taumelnd, selig, Zwei und Zwei?
Sprecht, oder seid ihr mit der Nacht vorbei?

15
Und werdet, wenn der Rauch im Saal verschäumt,

Mit Asche und Geräten fortgeräumt?

Gingt ihr einst schwanger durch die Straßen schon?
Und ist ein Mann in eurem Medaillon?
Oder mit dieser Halle aufgetan,

20
Hebt ihr erst nachts zu schwankem Leben an?
Empfohlene Zitierweise:
Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte.. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Werfel_Wir_sind_1913.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)