sich in Anspruch nehmen, überlassen sie sich gegenseitig das Recht, in ihren eigenen Angelegenheiten autonom zu entscheiden. Die Folge ist nicht etwa, daß der deutsche Doktor wertlos geworden wäre, sondern sie ist, daß man sich z. B. in Amerika darüber beklagt, der deutsche Doktorgrad werde von den meisten leitenden Behörden als eine Notwendigkeit für die Bekleidung höherer Lehrstellen angesehen.
Und betrachten wir das Verfahren, das sich nun schließlich bei den verschiedenen Meistern der Wissenschaft herausgebildet hat, so finden wir es merkwürdig übereinstimmend. Beispielsweise macht es nicht die geringste Schwierigkeit, daß ein Physiker den einen Teil seiner Ausbildung auf der einen und den anderen auf irgendeiner zweiten Universität durchführt. Sogar die Einteilung des Stoffes und der verschiedenen Bildungsmittel ist an den verschiedenen Universitäten ohne jede amtliche Regelung praktisch die gleiche.
Dies ist die Folge davon, daß die Methoden, welche von pädagogisch besonders hochbegabten Meistern ausgebildet worden sind, sich vermöge ihrer eigenen Vortrefflichkeit selbsttätig verbreitet haben. Sie sind freiwillig von den anderen Professoren eingeführt worden, weil sie sich im freien Wettbewerbe als die zweckmäßigsten bewährt haben. Da haben wir das Experimentieren mit der Schule in seiner freiesten und uneingeschränktesten Form. Ich bin gern bereit, zuzugeben, daß vielleicht in früheren Zeiten, wo sich diese Formen noch nicht ausgebildet hatten, mancher künftige Physiker eine Schulung erhalten hat, die schlechter gewesen ist als die eines anderen Professors. Aber wäre etwa die damals
Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)