sollte man wissen, daß derjenige Unterricht den größten Erfolg haben muß, an dem Lehrer und Schüler beide gern teilnehmen.
Es ist in der letzten Zeit viel von der „educatio strenua“ geredet worden, und man hat das vielfache Ungemach, daß unsere verkehrten Unterrichtsmethoden den Schülern zufügen, dadurch zu rechtfertigen gesucht, daß das den Jungen gesund sei, wenn man sie hart anfaßt. Diese gedankenlose Behauptung ist ebensoviel wert, wie die leitende Idee der Bauernmedizin, daß eine Arznei um so gesunder sei, je scheußlicher sie schmeckt. Ein frisches junges Menschenwesen ist ja bereit, sich selbst so stramm wie möglich zu nehmen, und man muß nur sehen, welche Anstrengungen sich unsere Jungen und Mädchen ohne Zögern auferlegen, wenn es sich um Dinge handelt, wo sie mit ganzer Seele dabei sind. Das geht bis hoch in die erwachsenen Jahre hinauf. In dieser Selbsterziehung zur äußersten Selbstbeanspruchung sehe ich den wesentlichsten Wert aller Sportleistungen und bin gern bereit, allerlei Lächerlichkeiten hierbei zu verzeihen, wenn nur der Betreffende für eine Sache, die ihn freut, seine Haut und Glieder hergibt. Also wir sind ganz einverstanden, daß unseren Kindern stramme Leistungen, natürlich innerhalb der Leistungsfähigkeit ihrer Jahre und sonstigen Beschaffenheit, zugemutet werden. Aber es soll sie freuen! Das ist die Bedingung, auf die nicht verzichtet werden darf, denn nur unter dieser Voraussetzung bringt die Anstrengung die erwünschte Frucht, daß sie nämlich den jungen Organismus stärkt und zur Überwindung noch größerer
Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)