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Es ist ja das Dichten des menschlichen Herzens böse von Jugend auf. (1. Mos. 8, 21.) Wir sind aus sündlichem Samen erzeuget, und unsre Mütter haben uns in Sünden empfangen (Ps. 51, 7.): wir sind also böse von Art und gleichsam von Haus aus – die Erbsünde hat alle unsre Blutstropfen und Fasern, dazu unsre ganze Seele vergiftet, wie ein Glas Wasser in allen seinen Tropfen vergiftet wird, wenn man Gift hineinwirft. Wer wollte da sich anmaßen, zu sagen: „Ich weiß, wie böse ich bin? Muß nicht vielmehr jedermann sagen: „Ich bin böser, verderbter, als ich weiß!“ Zwar weiß der Geist eines jeden besser als andere Menschen außer ihm, was in ihm vorgeht (1. Kor. 2, 11.), aber auf den Grund unserer Herzen sieht nur das Auge Gottes, welcher spricht: „Ich, der HErr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen, und gebe einem jeglichen nach seinem Thun, nach den Früchten seiner Werke.“ (Jerem. 17, 10.) Sehen wir unsre Verderbtheit, unsre Untüchtigkeit zum Guten, unsre Lust zum Bösen, unsre Sünden in Gedanken, Begierden, Blicken, Geberden, Worten und Werken, mit so heiligem, über alles Böse erhabenem Auge, in so richtiger Schätzung, so auf einem Haufen, so auf einmal, wie Gott, wir würden in der Erkenntnis unsrer selbst verloren gehen, die Barmherzigkeit Gottes nicht mehr fassen können, sondern mit Kain verzweifelnd unsre Sünde für größer halten, als daß sie uns vergeben werden könnte. Darum verhüllt auch der barmherzige Gott, der nicht Lust hat am Tode des Sünders, die Menge

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Einfältiger Beichtunterricht für Christen evangelisch-lutherischen Bekenntnisses. Kommissionsverlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1900, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Beichtunterricht_(4._Auflage).pdf/25&oldid=- (Version vom 17.7.2016)