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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

HErrn zu gehen und andere gehen zu laßen? Dagegen ist es „Süßteig der Lauterkeit und Wahrheit“, es sind süße Brote zum Fleisch und Blute Christi, es heißt lauter, einfältig, aufrichtig zu Gottes Tische gehen, wenn man weder an sich, noch an den Brüdern die herrschende, offenbare, unbereute Sünde dulden, sondern für wahre Buße am Tische JEsu, für Zucht, Tischzucht, Abendmahlszucht Christi eifern muß. – Ein neuer, ungesäuerter Teig zu sein, zu bleiben und immermehr zu werden, das muß Entschluß und Ziel einer jeden christlichen Gemeinde gerade deshalb um so mehr sein, weil es so schwer gelingt, weil so viele Hindernisse vorhanden sind, weil das Verderben so anhängig, so ansteckend, so übermächtig ist.

 Wer kann nun, meine lieben Brüder, diesen Sinn unsers Textes als den einfachen, – nicht als den hineingetragenen, sondern als den blank zu Tage liegenden erkennen, ohne zuzugestehen, daß also die Abendmahlszucht nicht eine bloß menschliche Kirchenordnung, sondern ein biblisches, apostolisches, von dem heiligen Paulus mit allem Nachdruck eingeschärftes Erfordernis christlicher Gemeinden sei? Ist’s nicht wirklich offenbar, daß in unserm Texte Zucht und Abendmahl in der engsten Beziehung zu einander stehen? Ist’s übertrieben, auf Grund unsers Textes zu behaupten, daß die Abendmahlszucht im Ausfegen des alten Sauerteigs und im Genuß der süßen Brote eben so gewis alttestamentlich geweißagt und vorgebildet ist, wie das heilige Abendmahl, selbst im Osterlamm? Ist also nicht die Abendmahlszucht wie das heilige Abendmahl selbst eines der Jahrhunderte und Jahrtausende vor dem Neuen Testamente von Gott bewahrten, in heiligen Bildern abgeschatteten Geheimnisse, welche in der Fülle der Zeit offenbart und gepredigt sind? Muß es also nicht der von aller Welt her gefaßte, nun aber offenbarte Wille Gottes sein, daß man in Gottes Vorhöfen und an Seinen Altären an der Heiligung und Vollendung der Gemeinde arbeite, indem Einer für Alle, Alle für Einen sorgen und Buße thun und glauben und gegen das festgehaltene Böse kämpfen? – Und ob auch einer zu kurzsichtig oder zu übelwollend wäre, um den Beweis der Abendmahlszucht aus dem Alten Testament und seiner Osterlammsfeier zu erkennen: die Rede des heiligen Apostel Paulus, die für sich allein schon ein göttliches Ansehen und eine göttliche Kraft besitzt, ist doch klar! Der Sauerteig, welcher ausgefegt werden soll, ist doch einmal im Text und seinem Zusammenhang nichts anders, als der offenbare, unbußfertige Sünder, der Blutschänder, von welchem die Rede ist: St. Paulus versteht einmal nichts anders darunter. Ja, ob einer auch darüber stritte, und Sauerteig wie Süßteig wie V. 8 so V. 6 und 7 nur auf den Sinn der Gemeinde, auf ihre Herzens- und Lebensreinigung bei Gottes Tisch beziehen wollte: es wäre im Grunde doch auch das nichts anders, immerhin geht der Text auf Abendmahlszucht hinaus, und auf alle Fälle gibt der 13. Vers mit unverblümten Worten zu verstehen, was Paulus will, was am Ende doch auch mit dem Ausfegen des Sauerteigs gemeint ist. „Gott wird, sagt er, die draußen sind, richten; thut von euch selbst hinaus, wer böse ist“. Was aber in seinem Sinn ein Böser ist, das liegt wieder ganz klar vor V. 11: „So jemand ist, spricht er, der sich läßt einen Bruder nennen, d. h. einen Christen, und ist ein Hurer, oder ein Geiziger, oder ein Abgöttischer, oder ein Lästerer, oder ein Trunkenbold, oder ein Räuber, mit demselbigen sollt ihr auch nicht eßen“ – nicht das tägliche Brot, geschweige des HErrn Brot und trinken Seinen Kelch.

 Ich denke, meine lieben Brüder, aus dem allen ist leicht zu erkennen, daß der Apostel Paulus in der Gemeinde von Corinth Zucht geübt haben wollte, eben so wie sie Christus, der HErr, nach Matth. 18 in allen Gemeinden der Kirche in Uebung sehen will. Was für eine Thorheit wäre es, anzunehmen, daß Pauli Worte nur einen Specialbefehl für die Corinther enthielten, uns aber nichts angiengen! Und welche Stumpfheit, wo nicht gar absichtliche heuchlerische Verblendung wäre es, wenn man den innigen Zusammenhang zwischen dem Befehle Christi Matth. 18 und dem corinthischen Befehle Pauli leugnen oder verleugnen wollte! Nein, meine Brüder, Luther hat Recht, wenn er sagt, die Zucht sei eben so gut ein Gottesgebot, wie jedes andre. Das Zuchtgebot Christi und Seiner Apostel ist in der That nichts anderes, als das Gebot der reinsten, kirchlichsten Liebe, der Liebe der Gemeinde zu ihren Gliedern, der Glieder zur Gemeinde. Und gewis, Zucht ist in ihrer schönsten, lautersten, höchsten Faßung österliche Zucht, Abendmahlszucht,

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/242&oldid=- (Version vom 1.8.2018)