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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

haben, was unter dem Teige begriffen ist. Ist also der Teig die Gemeinde, so muß der Sauerteig Menschen bedeuten, die sich zur Gemeinde fügen, wie man den Sauerteig zum Teige fügt; es müßen aber Menschen gemeint sein, welche sich von dem Teige auch wiederum unterscheiden, wie Süßteig vom Sauerteig, also böse Menschen, denn süß ist hier gut und sauer ist böse. Dazu müßen diese bösen Menschen eine ansteckende Kraft auf die Gemeinden haben, wie der Sauerteig den Süßteig versäuert, sonst würde der Apostel weder sagen: „ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig,“ noch würde er die starke Aufforderung ergehen laßen: „feget den alten Sauerteig aus.“ Das Beispiel der Gottlosen ist also kräftig zum Verderben, und daher soll es wirkungslos gemacht werden dadurch, daß man sie hinwegschafft, und wie der Apostel selbst im Verlaufe des Kapitels sagt, aus der Gemeinde wegthue. Dies alles geht aus unserm Texte unzweifelig hervor. Darum muß es auch aus dem ganzen Zusammenhang unzweifelig sein, daß der Apostel in Beziehung auf das Osterfest bei dem Genuß des neutestamentlichen Osterlamms im Abendmahle ernste Zucht verlangt, und haben will, daß die Gemeinden bei ihren Abendmahlsgängen jedes böse Beispiel entweder entfernen oder umwandeln sollen, und daß in Bezug auf die Osterfeier sowie auf jede Abendmahlsfeier, durch welche unsere Lebenszeit zu einer österlichen umgestempelt wird, großer Eifer und heilige Sorgfalt für Reinigung und Reinerhaltung der Gemeinden erfordert wird. Abendmahlszucht, insonderheit österliche Abendmahlszucht, ist eine nöthige vom Apostel geforderte Sache. Darum sagt auch der Apostel: „Laßt uns Ostern halten nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Schalkheit und Bosheit, sondern in den süßen Broten der Lauterkeit und Wahrheit.“ Damit will er nicht bloß, daß jeder Christ auf sich selber sehen soll, die üble Mischung zwischen gut und bös in sich meiden, die Einfalt eines aufrichtigen und wahrhaftigen Herzens, die Süßigkeit eines göttlichen Gemüthes herstellen; sondern er will eine solche Lauterkeit, Einfalt und Süßigkeit haben, welche sich gegen die Anwesenheit des Bösen in der Gemeinde wehrt, und gegen die Ansteckung desselben auf der Hut ist. – Wer nun hier nicht sieht, meine lieben Brüder und Schwestern, daß der Apostel von den Abendmahlsgemeinden Zucht verlangt, ja sogar strenge Zucht, und daß es nach seinem Sinne die Liebe zu allen fordert, daß man die einzelnen bösen Beispiele von der Gemeinde ausscheide, wenn man sie mit der bekehrenden Liebe nicht überwältigen kann, der hat nicht viel Auge, der ist nahe an der Blindheit. In den alten Gemeinden herrschte der Grundsatz: „das Heilige den Heiligen,“ das ist: das Passahlamm zum süßen Teige, das Abendmahl denen, die nach Gerechtigkeit hungert und dürstet. Nach unserem Texte ist dieser Grundsatz auch vollkommen gerechtfertigt, und wer es mit der Zucht, mit der Abendmahlszucht, mit der österlichen Zucht nicht genau nimmt, von dem könnte man auch wohl behaupten, er nehme es mit den apostolischen Worten nicht sehr genau, diene den Verhältnissen der jammervollen Mischung, die in der Kirche sich findet, anstatt darnach zu ringen und darauf zu dringen, daß die Verhältnisse von innen heraus erneuert und gereinigt werden.

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 Es gab einmal, meine lieben Brüder, eine kirchliche Partei, die Novatianer, welche denen, die nach der Taufe in offenbare schwere Sünden fielen, keine Absolution und keine kirchliche Tröstung mehr zuwendeten. Sie sagten gerade nicht, daß derlei Menschen unrettbar verloren wären, sie wollten Gottes Barmherzigkeit nicht beschränken, aber die Kirche hielten sie nicht befugt, im Namen Gottes mit solchen armen Sündern tröstend umzugehen: eine solche novatianische Zucht können wir nimmermehr wollen. Es gab auch noch eine andere Kirchenpartei, die Donatisten, die zwar jene novatianische Strenge ein wenig milderten, und denen, die nach der Taufe gesündigt hatten, wenigstens in der Todesnoth den kirchlichen Trost gespendet wißen wollten, die aber nichts destoweniger von der Kirche verlangten, was Christus nicht glaubte, verlangen zu können, nämlich daß alle Glieder rücksichtlich ihres Wandels so rein sein sollten, wie die Kirche in ihrem Grundsatz war. Diese Donatisten mußten bald an ihrem eigenen Beispiele erleben, wie unbesonnen ihre Hoffnung war, und wie jedes Maß überschreitend der von ihnen gehegte Gedanke, völlig reine Kirchen herstellen zu können. Auch mit diesem Donatismus können wir nichts zu schaffen haben wollen. In der alten katholischen Kirche selbst führte man nach der decianischen Verfolgung

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/249&oldid=- (Version vom 1.8.2018)