Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/38

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

an Seiner Erniedrigung und Erhöhung, an Seinen Siegen, an Seinen Werken und Thaten, an Seinen Engeln, an Seinen Dienern, Seinen Freunden, Seinen Erlösten, Seinen Gläubigen und Geheiligten, mit Einem Wort an Ihm und Seinem Reich. Die Freude in Ihm ist eine Freude an Ihm, aber auch eine Freude mit Ihm, denn Er ist ein freudenreicher Gott, – ja sie ist eine Freude in Ihm in dem eigentlichsten Sinn, denn wer sie hat, der ist eben mit dem HErrn verbunden, und wie der Sohn mit dem Vater, so ist Er mit dem Sohne Eins – auf eine wunderbare, alles Denken und alle zeitliche Erfahrung überbietende, überschwängliche Weise.

 Da diese Freude keinen zeitlichen Gegenstand hat, keinen Gegenstand, den das Auge des Menschen ersehen, sein Ohr erlauscht, sein Herz erfunden hätte, – da der Gegenstand aus ewigen Höhen in ein der himmlischen Heimat entfremdetes Seelenleben kommt, – da sie nur in der Verbindung mit dem HErrn gewonnen, nur in Seiner dauernden Verbindung geläutert, gereinigt, gestärkt, erzogen, groß und dauernd, nur in der ewigen Verbindung mit Christo ewig und unaustilgbar werden kann; so versteht es sich von selbst, daß sie sich ganz anders anfühlt, als alle Erdenfreuden, als alle zeitlichen Freuden. Die zeitliche Freude ergreift den Menschen nicht so innerlich, so tief, so heimlich, so still; sie vermag es nicht und kann es nicht. Sie ist auch ein Werk des heiligen Geistes, wie alle Zier und aller Schmuck der Creatur; aber sie ist ein Spiel Seiner ewigen Weisheit, ein Räthsel und Schattenbild, dessen Schlüßel, Deutung und Urbild in der Freude liegt, von der wir reden. Eben deswegen aber muß man auch von der tief im Innern beginnenden, geistlichen Freude nicht jene Lebhaftigkeit, jenes leibliche Wohlbehagen, jene sinnliche Ueberschwänglichkeit erwarten, welche Erdenfreuden haben. Aber sie ist eine Freude, sie wird es immer mehr für die, welche in Christo JEsu bleiben, sie ergreift auch je länger je mehr den ganzen Menschen, erzeugt eine Heiterkeit, welche der Unterbrechung spottet, welche durch Hindernisse geweckt, durch Traurigkeit gemehrt, durch den Tod lebendig, durch das Verstummen aller Weltfreude und der Welt selbst laut und beredt, durch die Schrecken und das Anschauen des kommenden Richters zur wonnevollen Lobsängerin wird. Sie hat ein ewiges Leben, das in umgekehrtem Maß erstarkt und zunimmt, als dies Leibes Leben vergeht und verwelkt. – Diese Freude ist auch eines wunderbaren Lebens. Oft zieht sie sich ins tiefe Innerste zurück, oft ist sie wie unsichtbar, wie todt: ein gewaltiger Ernst bedeckt das Antlitz des Christen. Aber sie läßt sich aus ihrer Hütte rufen, sie kommt hervor, sie läßt sich schauen und genießen, wenn man sie ruft. „Freuet euch in dem HErrn“ – ruft ein freudenvoller Apostel, da jauchzt mit Macht auf die ganze Seele. „Allewege“ – jauchzt er selbst: da frohlockt der todtgeglaubte Freudenton; der Arme, der Unglückliche, der Kranke, der Sterbende versteht, vernimmt, befolgt den Ruf und zwar mit Lust und Leben. „Abermal sage ich: Freuet euch!“ Da steigert sich die Freude, mächtiger zeigen sich die Ursachen unsrer Freuden, reichlicher quillen und quellen die fröhlichen Gedanken! Je mehr Zuruf, desto mehr Gehorsam. Und wenn dermaleins die Stimme Offenb. 19, 7. erschallt: „Laßet uns freuen und fröhlich sein; denn die Hochzeit des Lammes ist kommen und sein Weib hat sich bereitet“: ja dann wird die Freude sein wie großer Waßer Rauschen und das „Amen, Halleluja“ (Offenb. 19, 4.) wird ohn Ende brausen.


 Wenn das ist, meine Freunde, wie wird dann das Wort des apostolischen Briefes „Freuet euch“ Kraft erwiesen haben: von Rom bis Philippi, so weiten Weges die Philipper entfernt waren, wird doch die Stimme, ja das geschriebene Wort des Apostels die Freude geweckt haben, die Traurigkeit über seine Gefangenschaft, die Betrübnis über die Anfechtung falscher Lehrer und über die Pein der Verfolger wird untergegangen sein, wie die Nacht, und die Freude wird in den Seelen angebrochen sein wie der lichte Morgen. Aber es wird dann auch ohne Zweifel das zweite Wort des Apostels, die laute Mahnung zur Lindigkeit und Güte ihr Werk gethan haben.

 Wenn eine Hochzeit ist und die Brautleute vom Altare gehen, wenn nun das Ziel erreicht ist, Gott die Brautleute verbunden hat, also daß nun kein Mensch mehr lösen kann: da werfet ihr, meine lieben Brüder, mit vollen Händen Gaben aus und seid lind und mild und gütig, auch wenn ihr es sonst nicht seid. Wer schließt euch das Herz auf, wer füllt euch die Hände? Die Freude ist’s, denn die Freude ist

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 031. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)