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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

wir also in den beiden Texten des Tages zwei Personen und ihr Werk, welche der Gemeinde Christi, wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen niemals aus dem Gedächtnis entschwinden dürfen. Der beste Freund und der größte Feind der Seelen sollen beide allezeit vor Augen und Herzen der Glieder JEsu stehen. Wie Tag und Nacht, Licht und Finsternis einander begleiten, so begleiten auch sie einander, und wo der eine kommt, da kommt in der Regel der andere entweder gleich mit, oder doch scharf hinterher. Es ist ein Unglück und großer Schade, wenn einer von beiden übersehen wird, welcher es auch sei. Unserem Texte gehorsam werden wir nun diesmal das Auge insonderheit dem Feinde zukehren müßen, indem wir die Epistel durchgehen. Doch wird uns die allgemeine Regel, daß der Seelenfreund nicht fern ist, wo der Seelenfeind erscheint, daß Beide zusammengehen oder sich folgen, auch hier zu statten kommen. Wir werden den Freund nicht verlieren, indem wir auf den Feind das Auge richten, wir werden vielmehr in Gemeinschaft mit jenem diesen bekämpfen, und der HErr und Sein Geist wird uns nicht mangeln, den Kampf zum Sieg hindurchzuführen.

 Den Mittelpunkt unseres Textes bilden allerdings die Verse 8. und 9, in welchen der Gegensatz zwischen dem Teufel und der Kirche grell und klar hervortritt. Die zwei ersten Verse, nemlich Vers 6 und 7, bilden zu der genannten Mitte des Textes den vorbereitenden Eingang. Sie reden von der Beugung vor Gott und vom Vertrauen zu Gott, und diese beiden Tugenden sind es in der That, welche uns zum Kampfe gegen den Teufel ausrüsten müßen. Am Schluß des Textes steht Vers 10 und 11, welche beide einerlei Gedanken hervorheben, nemlich die verheißene mächtige Hilfe des HErrn im schweren Kampfe der Kirche gegen den Teufel, und die Ehre, welche er durch seine Mithilfe einlegen wird. So geht also der Text in drei klaren, schönen Abtheilungen gegliedert, aber doch gewis auch als schönes, zusammenhängendes Ganzes seinen Weg. Gebeugt vor Gott, Seiner Treue vertrauend – widerstehet der Christ dem Erzfeind seiner Seele und wird in seinem Kampfe von Gott dem HErrn zum sicheren Siege geführt, so daß am Ende Siegesfreude und Ehre Gottes zusammentreffen und der selige Triumph des ewigen Lebens sich vorbereitet. Da laßt uns nun Schritt für Schritt die einzelnen Theile betrachten.

 Unsere heutige Epistel bildet den Schluß des ersten Briefes Petri. Was der Apostel den auserwählten Fremdlingen hin und her zuletzt mit allem Nachdruck zu sagen beschloßen hat, das wählte die Kirche, um recht nachdrücklich und in mächtigem, aber hilfreichem Gegensatz zum Evangelium ihre Kinder vor dem zu warnen, welcher der größte Feind JEsu und Seiner Heerde ist. Schon im fünften Verse, welcher unserem Texte unmittelbar vorhergeht, ist die Rede von der Demuth gewesen; der Schluß des Verses besteht in den berühmten Worten des alten Testamentes: „Gott widerstehet den Hoffärtigen, den Demüthigen aber gibt Er Gnade.“ An diese Worte schließt sich nun unser Text auf das engste an, indem sein erster Vers spricht: „So demüthigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, auf daß Er euch erhöhe zu Seiner Zeit.“ Die gewaltige Hand Gottes, unter welche man sich demüthigen soll, was ist sie? Welche Creatur wird sich nicht neigen, wenn sie die Hand des Allerhöchsten und Allmächtigen herniederkommen sieht? Ja man könnte fragen, wer wird dies für eine Erniedrigung halten, wenn er sich vor Dem neigen soll, der Himmel und Erde besitzet, ja gemacht hat? Es muß die Hand Gottes, unter welche man sich erniedrigen soll, eine verborgene Hand sein, welche nicht gleich als Gottes Hand erkannt wird, wenn es erst der Ermahnung bedarf, sich vor ihr zu beugen und dem HErrn zu weichen. Nur der Zweifel, ob das, wovor man sich beugen soll, wirklich Gottes Hand ist, oder nicht, macht die Nothwendigkeit einer solchen Ermahnung begreiflich. Daraus, meine lieben Brüder, wird klar, wie nöthig es ist, Gottes Hand zu erkennen, und zu faßen, was der Apostel unter diesem Ausdruck versteht. Der Zusammenhang unseres Verses, insonderheit mit dem darauf folgenden gibt uns den nöthigen Unterricht. Es heißt nemlich: „Erniedrigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, indem ihr alle eure Sorge auf Ihn werfet, denn Er sorget für euch.“ Also ist die Hand Gottes, unter die man sich demüthigen soll, nichts anderes, als der Zustand voll Jammer und Sorge, in welchem die Christen lebten. Von der Sorge für den Lebensunterhalt, der gewöhnlichsten und verbreitetsten

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 018. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/394&oldid=- (Version vom 1.8.2018)