Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/412

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

könnte man es nur finden, daß der heilige Petrus, dieser Mann des Krieges und der Unruhe, dem die Feindschaft der Welt nachfolgte und ihn zu haschen suchte, wohin er gieng, der von guten Tagen so wenig sah, der allezeit voll Sehnsucht nach den ewigen Tagen und ihrem Frieden war, dennoch es allenthalben durchblicken läßt, wie auch er das zeitliche Leben und gute Tage schätze, und es nicht weniger als der heilige Psalmensänger aller Anstrengung für werth und alle Mühsal reichlich belohnend findet, den Frieden zu halten. Doch darf man sich nicht etwa denken, daß nach dem alten oder neuen Testamente, nach David oder Petro, der Friede bloß als ein Produkt und Werk des menschlichen Fleißes zu nehmen wäre. Ich werfe einen Stein ins Waßer, so entstehen unzweifelig Kreise auf Kreise, die Wirkung der Ursache bleibt nicht aus. Aber so ist es mit der menschlichen Friedenssaat nicht, sondern es ist wie mit einer jeden Saat, die nur unter der Voraussetzung des göttlichen Segens gedeiht und zur Ernte reift. Zum Frieden gehören nicht bloß zwei, sondern drei, und ebenso bringt nicht die Vereinigung zweier Hände schon gute Tage, sondern der HErr ists, der dem Frieden seinen Fortgang gibt, der durch und in dem Frieden wirkt, und ohne welchen die Morgensonne keines einzigen guten Tages erscheint. Aber Er, der allmächtige HErr, hat den Frieden gesegnet, ihm Sieg und Heil versprochen, Er krönet ihn mit guten Tagen und läßt die Friedfertigen unter ihrem Weinstock und Feigenbaum wohnen. Seine Augen, wie der Psalm sagt, stehen offen über den Gerechten, sie zu bewachen und zu bewahren, und seine Ohren lauschen auf das Flehen der Stillen im Lande, um es zu erhören; Er kommt den Friedfertigen zuvor mit Seiner Wacht und Hut, mit Seiner Hand und Kraft. Dagegen aber steht Sein furchtbares Angesicht wie gegen Pharao im rothen Meere, so gegen alle, die böses thun und Seiner Kinder Frieden stören. Da heißt es dann freilich: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet und unter dem Schatten des Allmächtigen trauet, der spricht zu dem HErrn: meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf Den ich hoffe.“ So ist dann das Leben gesegnet, und zwar doppelt, nach außen und innen, innerlich mit Heiligung und Tugend, äußerlich mit siegreicher Geduld über die Feinde, und mit dem Frieden und stillen Leben, welche in dieser Welt des Elends ein reines Gottes-Wunder und unter so vielen Feinden, die wir haben, ein reines Gotteswerk sind.

 Das ist der erste Theil des Textes nach seinem zweifachen Inhalt, nach apostolischer Lehre und alttestamentlicher Bestätigung. Nun laßt uns genauer sehen, was uns der zweite Theil schenkt.

 So wie der erste Theil unsers Textes die Fülle seiner Gedanken in einer Steigerung vorlegt, so findet sich auch in dem zweiten Theile eine solche Steigerung. Und wie der erste mit alttestamentlichen Stellen gekrönt ist, so ist auch der zweite mit Anklängen aus dem alten Testamente durchwoben. Wir werden auf der Leiter dieser Gedanken, wenn es euch gefällt, lieben Brüder, mit unseren Gedanken emporsteigen. Der HErr aber verleihe uns mehr, nemlich demselben Stufengang innerlich und zu seiner Zeit auch äußerlich im Leben zu folgen.

 Der Uebergangsvers vom ersten zum zweiten Theile, nemlich der 13., ruht noch mit festem Blicke auf dem Inhalt des ersten Theiles und läßt uns die Menschen, die also wandeln, wie es dort geschrieben steht, im Lichte der Verheißung derjenigen Unverletzlichkeit schauen, welche man den Besitzern eines so guten Gewißens als Preis und Gnadenlohn in dieser Welt zuerkennen möchte. „Wer ist, der euch schaden könnte, ruft der Apostel aus, wenn ihr dem Guten nachkommet?“ Dieser Ausruf will verstanden sein. Wer so lebt, und so den Frieden mit Gott und allen Menschen baut, wie im ersten Theile unserer Epistel dargelegt ist, der ist freilich ein Schauspiel der Engel und eine Freude des Erlösers, aber daß er deshalb vor zeitlichem Schaden, vor Haß und Bosheit der Kinder dieser Welt behütet bliebe, das ist ja nicht der Fall. Es ist eine bekannte Sache, und zwar ohne Zweifel dem heiligen Apostel Petrus mit am besten bekannt, daß man kein Unrecht zu begehen braucht, um die Welt zum Haße zu reizen, sondern daß gerade eine leuchtende Tugend den Unwillen derer erregt, die andere Wege gehen; daß es genug ist, den Haß der Welt zu ärnten, wenn man nur nicht mit ihr in dasselbe unordige Wesen sich begibt. Wollen und können wir auch deshalb gar nicht leugnen, daß gar oft die Hand Gottes über denen ist und sie schirmet, die es wagen, in einer gottlosen Welt richtig zu wandeln; so ist es

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 036. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/412&oldid=- (Version vom 1.8.2018)