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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Vers 8, „wir sind mit Christo gestorben,“ Vers 4, „wir sind mit Christo begraben.“ Wir könnten aus dem 6. Verse noch nachholen, „unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt,“ wenn nicht gerade dieser Vers etwas spezieller als die andern gefaßt wäre, sich zu ihnen nicht schon wie eine Erklärung verhielte. Sind wir nun aber mit Christo gekreuzigt, zu gleichem Tode gepflanzt, gestorben und begraben, so ist das gewis eine Gemeinschaft Seines Todes und wir haben ein Recht, von einer Epistel, deren Hälfte diese Gedanken verfolgt, zu sagen, sie handelt von der Gemeinschaft des Todes. Dasselbe Recht haben wir aber auch, zu sagen, sie handelt von der Gemeinschaft der Auferstehung. Lesen wir doch: „Sind wir mit Christo gepflanzet zu gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein,“ Vers 5. „Wir sind mit Ihm begraben in den Tod, auf daß, wie Christus auferstanden ist von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir sollen in einem neuen Leben wandeln,“ Vers 4. „Sind wir mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden.“ In allen diesen Stellen, deren Sinn sich über die ganze Epistel ausdehnt, ist von einer Gemeinschaft mit der Auferstehung Christi nicht weniger die Rede, als in den zuerst genannten von einer Gemeinschaft mit dem Tode des HErrn. – Sehen wir nun zuerst auf die Gemeinschaft mit dem Tode Christi, so finden wir über diesen die schon oben angedeutete genauer bestimmende Stelle: „Unser alter Mensch ist mit Ihm gekreuzigt, auf daß der Leib der Sünde aufhöre, daß wir nicht weiter mehr der Sünde dienen“. Also unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt, das heißt, wir, sowie wir vom Mutterleibe gekommen und geblieben sind, bis eine andere Macht in uns kam und Neues in uns schuf, wir nach unserer alten Natur sind mit Christo gekreuzigt, gestorben, begraben. Nun ist es aber am Tage, daß unsere Kreuzigung zu der Zeit muß vorgegangen sein, da Christus gekreuzigt wurde, an dem Ort, wo es Ihm geschah, also zu einer Zeit, wo wir noch nicht lebten, an einem Orte, wo wir nie gewesen, in einer Weise, die nicht natürlich zu faßen ist, so daß also kein Zweifel sein kann, daß es hier mit eitel Wundern, in lauter Stellvertretung ohne all unser Zuthun, ohne all unser Verdienst hergegangen ist. Wir sind gekreuzigt worden, da wir es nicht wußten, nicht wißen konnten, weil wir nicht einmal lebten. Der HErr hat unserm Tod gefüget, daß er an Einem geschehe anstatt aller und allen zugerechnet werde, denen er zugerechnet werden kann. Denn vermeint ist er zwar allen, aber ein Eigentum wird er nicht allen, sondern nur denjenigen, die das Anerbieten der Zurechnung annehmen, mit dem wunderbaren Gedanken sich befaßen und in die ebenso historische als übernatürliche Wahrheit sich gläubig mögen versenken und versenken laßen. Ich möchte wißen, meine lieben Brüder, wie man die Reden und Ausdrücke Pauli anders als von einem stellvertretenden Tode JEsu Christi faßen könnte, wie man dem Gedanken der Stellvertretung entfliehen und den vollen Ernst und die große Wahrheit unserer Kreuzigung, unseres Todes und Begräbnisses mit JEsu Christo anders faßen könnte, als in dem großen Sinne des himmel- und erdeberühmten Wörtchens für uns. Ich bin des Todes werth, aber der Tod, der mein wartet, ist einer, deß ich nie ersterben könnte, wenn ich ihn selbst erleiden müßte, von welchem es auch für mich keinen Uebergang zu einer Auferstehung geben könnte, wenn ich selber in sein Grab und seine Finsternis steigen müßte. Weil es nun dem heiligen Gotte eben so gerechter Ernst ist mit meiner Bestrafung, als mit meiner Errettung, mit meinem Tode als mit meinem Leben und umgekehrt, so geht an meiner Statt ein anderer in den Tod hinein, der ihn besiegen kann und stiftet für mich und alle meinesgleichen eine Errettung zum ewigen Leben, an dem wir ohne Sein heiliges Bemühen für immer und ewig hätten verzweifeln müßen. So sind wir dann der Wirkung nach mit Christo gestraft und gekreuzigt, getödtet und ins Grab gelegt, es ist uns in ihm unser Recht geschehen, und da wir geboren wurden, lag bereits an unserer Wiege das blutige für uns hoffnungsreiche Verdienst unseres HErrn und Erlösers gleichsam nur wartend, um uns angeeignet zu werden. Wir, erklärte Kinder des Todes, haben also von Mutterleibe an schon eine Hoffnung des Lebens, die sich auch desto mächtiger in allen den Worten ausspricht, welche von einem Leben mit Christo JEsu reden.

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 Sind wir mit Christo gestorben und durch die Theilnahme an Seinem Tode frei von Gottes Zorn und Strafe, so wird uns der HErr nicht halben Weges auf unserem Gang der seligsten Vereinigung stehen laßen, sondern uns fördern; auch das Leben

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 041. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/417&oldid=- (Version vom 1.8.2018)