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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

anderen Ermahnungen das Gefühl in meinem Herzen trug, für euch gewissermaßen unpraktisch zu reden, weil mirs als ein so gar fernes Ziel für euch erschien, mir eure Herzen in brennender Flamme einer immerwährenden Andacht und im treuen Eifer gegenseitiger Unterordnung zu denken. Wenn nur auch in euch ein lebhaftes Gefühl eurer Verschuldung und eures Mangels, eures fernen Zurückbleibens hinter dem Ziele erweckt worden wäre, welches euch der heilige Apostel vorhält. Der Anfang aller Beßerung ist die Buße, und wer nie fühlt, wie viel ihm fehlt, der wird auch nie einen Trieb bekommen können, seinen Mangel zu erstatten. Möchte euch Gott wenigstens von der Gleichgiltigkeit erretten, die alles hören kann und sich dabei um gar nichts kümmert, selbstzufrieden in großen Sünden verharrt und auch nicht einen Augenblick zu einer Sehnsucht nach dem Beßeren zu erwecken ist, auch wenn ihr alles Heilige und Herrliche gezeigt wird, das sie nicht besitzt. Gottes ewiges Erbarmen verherrliche sich an euch, und wirke in euch heiligen Eifer bei tiefer Buße, verleihe euch seliges Gelingen zu einem eifrigen Bemühen. Amen.




Am einundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

Ephes. 6, 10–17.
10. Zuletzt, meine Brüder, seid stark in dem HErrn, und in der Macht Seiner Stärke. 11. Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnet gegen die listigen Anläufe des Teufels. 12. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. 13. Um deßwillen, so ergreifet den Harnisch GOttes, auf daß ihr an dem bösen Tage Widerstand thun, und alles wohl ausrichten, und das Feld behalten möget. 14. So stehet nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit, und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit, 15. Und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. 16. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts. 17. Und nehmet den Helm des Heils, und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.

 DAs Leben ein Kampf, nicht mit Fleisch und Blut allein, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, den Dämonen: dies ist das große Thema unserer heutigen Epistel. Mit dieser Epistel vereinigt aber ist das Evangelium von der Heilung, welche unser hochgelobter HErr an dem Sohne eines königlichen Beamten zu Kapernaum aus der Ferne bewirkte. Da soll wohl nach dem Sinne der Kirche dem kämpfenden Heere der Christenheit der große Beistand, der Kriegsherr, gezeigt werden, der aus der Ferne hilft, ja der selbst nahe ist. Oder, was dasselbe ist, es soll wohl neben dem königlichen Herrn, der in der Nähe und Ferne die Krankheiten und alles beherrscht, das von Ihm mit Kraft und Sieg begabte Heer Seiner Nachfolger erscheinen. Neben dem Gewaltigen gehen die Gewaltigen, und das Andenken an jenen stärkt diese. Im Andenken an Ihn laßt uns fröhlich in unsere Epistel hineingehen, wie in ein Rüsthaus Gottes, uns Waffen zu holen, damit wir alsdann wohlgerüstet herausgehen in den Kampf, den uns der HErr nachgelaßen hat, da Er sich von dannen zum Throne Seiner Herrlichkeit schwang.

 Das Leben ein Kampf; wer kann das leugnen? Oder wer ist von diesem Kampfe ausgenommen? Kämpft einer nicht gegen die Welt und ihren Fürsten, so kämpft er wider den Himmel und den Himmelsfürsten: alles trägt Waffen, was Mensch heißt. Und nicht bloß, was Mensch heißt, trägt Waffen, auch die Engel Gottes streiten und sind Kriegsleute. Wenn

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/517&oldid=- (Version vom 1.8.2018)