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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

des Betrachtenden entstehen. Es pflegt die Ursache der Wirkung ähnlich zu sein, die Wirkung aber die Natur der Ursache an sich zu tragen. Hier aber ist eine Ursache, welche eine ganz unglaubliche Wirkung hervorbringt, und eine Wirkung, welche der Ursache unähnlich ist. Wie kommt das Waßer dazu, eine Wiedergeburt und Erneuerung des Menschen zu bewirken, und was hat die selige Veränderung, welche Gott in uns zu unserm ewigen Heile wirkt, für eine Aehnlichkeit mit Waßer? Ohne Zweifel keine, du müßtest denn von der Aehnlichkeit des Sinnbilds reden, während ich von Aehnlichkeit des Wesens spreche, und die bedeutungsvolle Wahl des Elementes beim Sakrament der Wiedergeburt preisen wollen. Gieng ich jetzt und an dieser Stelle auf deinen Sinn ein, und hätte ich hier von der Wahl des Elementes, von der Trefflichkeit des Sumboles zu reden; so würde ich ganz wie Du sprechen und reden, und mich mit Dir zum Preise des HErrn vereinen, der so groß ist in Seinen Thaten und so weise in Seinen Wegen zum Ziele. Aber in meinem Sinn, und am Faden meines Textes muß ich freilich sprechen mit Luther: „Waßer thuts freilich nicht,“ – nein, solche Wirkungen kann das Waßer nicht wirken. Da muß sich mit dem Waßer etwas anders vereinen, das Waßer muß Träger einer höhern Ursache werden, und mit dem irdischen Elemente vereinigt muß ein ganz anderes Element des Lebens den Menschen überfluthen, welcher durchs Waßerbad neu geboren werden soll. Und so ist es auch. Der heilige Paulus nennt die Taufe ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes und deutet schon durch diesen Ausdruck die allmächtige Ursache an, die sich mit der Creatur des Waßers zu der großen Wirkung verbindet. Wenn das Waßer bereit ist, und der Täufer den Täufling in dasselbe senket, eingedenk des Wortes und Befehles Gottes, unter gläubiger und gehorsamer Wiederholung desselben, dann vereinigt sich durchs Wort mit dem Waßer der Geist, und die ewigen Kräfte desselbigen überfluthen mit dem Waßer den Menschen, wie auch St. Paulus sagt: „die Taufe sei ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, den Gott reichlich über uns ausgegoßen habe, durch JEsum Christum unsern HEiland.“ Er muß der Meinung sein, daß die Ausgießung des Geistes mit dem Waßer unter der Taufe erfolge, sonst würde er die Ausgießung des Geistes nicht in so engen Zusammenhang mit der Taufe setzen, sonst würde er auch nicht im engen Anschluß an das Symbol der Waßertaufe sagen: Der Geist werde reichlich über uns ausgegoßen, wie man Waßer reichlich gießet. So ziehen denn also die Kräfte des heiligen Geistes und der Geist Gottes selber die Waßer an wie ein Kleid, und der wunderbare allmächtige HErr wirkt sakramentlich im Elemente und durch dasselbe.

 Es geht also auch hier wieder, wie im göttlichen Haushalte so oft, zugleich menschlich und göttlich her. Gott verbindet sich mit geschaffnen Mitteln, und eilt auf dem Wege der Schöpfung zu den großen Werken unsrer Erlösung und Heiligung. Damit wird nun allerdings ebensowol die große Wirkung des Sakramentes glaublich gemacht, wie die Herrlichkeit des Sakramentes selber erhoben wird. Nun erscheint die Taufe nicht allein mehr im Glanze ihrer Wirkung, sondern auch in der Glorie ihres Ursächers. Wenn der Täufer das Waßer nimmt, und es über den Täufling gießet, dann sieht der Glaube den Himmel offen, den Geist und seine Kräfte herniederfahren, und dasjenige in der Kraft vollführen, was sichtbar durch das Waßertaufen angedeutet wird. Der Haushalter und Mitarbeiter des heiligen Geistes verschwindet vor der eigentlichen Gegenwart seines HErrn. Und je mehr sich das Auge aus unserm Texte Licht holt, desto mehr sieht es. Es sieht da nicht blos die Gegenwart des heiligen Geistes, sondern es verklärt sich die Taufe zu einer Handlung der allerheiligsten Dreieinigkeit. Oder kann man sich deßen wehren? Sieh den Text genau an, ob es nicht also sei? St. Paulus sagt offenbar, Gott hat den heiligen Geist reichlich über uns ausgegoßen, durch JEsum Christum unsern HEiland, also ist der Vater der Anfänger, der Sohn der Vermittler, und der Geist der Vollender des großen Werkes unsrer Taufe. Der Dreieinige ist der Täufer, und die Taufe selber, unsre Wiedergeburt, ein Werk desselben großen Gottes, der uns auch erschaffen hat.

 Es könnte, meine lieben Brüder, scheinen, als hätte ich mich bei der ganzen Darstellung unsrer Taufe absichtlich der Gedankenfolge des vierten Hauptstückes des kleinen Katechismus Luthers anbequemt; allein das war meine Absicht keineswegs. Im Gegenteil,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 050. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)