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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

und der Erfahrung auch so sein muß, ist gewis. Aber was sagt der Herr Herr, das Haupt der Kirche, ist es Ihm auch so recht? Oder hat man sich aus Seinem Munde Bedenken zu nehmen, daß es also ist? Wir wißen, daß geschrieben ist: „Ists möglich, so viel an euch ist, so habt mit allen Menschen Friede.“ Aber hält es denn der HErr für möglich, daß zwischen Kirche und Welt Friede sei? Daß die Kirche friedfertig ist und gerne alle Streitenden zum Frieden versammeln möchte, wißen wir. Aber wenn denn doch allenthalben Streit entbrennt! Ists dann doch vielleicht der Kirche Schuld, daß es so ist? Was werden wir antworten? − Es ist möglich, daß es einzelne Glieder der Kirche versehen, daß sie nicht thun, was an ihnen ist, um Frieden zu halten; aber auch abgesehen von der menschlichen Schwachheit und Sünde aller Heiligen ist es doch gewis, daß Der, welcher alle Dinge weiß, einen Frieden der Seinen mit der Welt nicht für möglich gehalten hat. Ich will nichts davon sagen, daß der HErr selbst mit der Welt weder Frieden hatte, noch hielt, sondern als das himmelschreiendste Opfer ihres Haßes am Kreuze starb. Ich will nicht erinnern an Sein Wort von jenem Feuer, von welchem Er wollte, es brennete schon; nichts von jener bestimmten Anforderung an die Seinen, Ihm das Kreuz nachzutragen, nichts von so vielen, vielen Stellen einschlägigen Inhalts. Ich will nur unser heutiges Evangelium reden laßen. Es steht vor Pfingsten und weißagt von Pfingsten und von dem, was die Jünger nach Pfingsten würden zu thun und zu leiden haben. Und was sagt nun dieß Evangelium, und in ihm der HErr? Wir haben es schon erwähnt zu anderem Zweck. Der HErr sagt: „Sie werden euch in den Bann thun. Es kommt aber die Zeit, daß wer euch tödtet, wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran. Solches habe Ich geredet, auf daß, wenn die Zeit kommen wird, auf daß ihr dran gedenket, daß Ichs euch gesagt habe. Solches aber habe Ich euch von Anfang nicht gesagt, denn Ich war bei euch.“ Wenn nun der HErr den Seinigen das voraussagt, mit so vielen Worten und großem Nachdruck voraussagt: was willst du dann sagen? Bist du ein Christ, so mußt du es über dich ergehen laßen, mußt mit hineingehen ins Kreuz und von den der Kirche Gottes verordneten Leiden Christi deinen Antheil tragen. Es kann nicht anders sein, der letzte Zweifel an der Nothwendigkeit des Kampfes und der Leiden wird durch JEsu Wort niedergeschlagen. Was auch komme, wie es auch gehe; wenn du ein Christ bist, so sei es dir gesagt, so sei es von dir für alle deine Lebenswege zur Norm und Richtschnur angenommen: „Hie ist Geduld der Heiligen!“


 Entrinnen also kann ein Christ, ein Kind der Kirche, diesem Loose nicht. Der HErr hats vorausgesagt, also kann man sichs nicht zur Schmach rechnen; Er hat es vorausgetragen, dadurch wird es zur Ehre; Er hat es zu einem Zeichen der Seinen gemacht, dadurch wird es zur Erwartung, und weil man Ihm selber darin ähnlich wird, so wird aus der Erwartung Hoffnung. Millionen haben es schon getragen und alle treuen Kinder Gottes tragen es jetzt noch, so daß wir uns geruhig fügen und ergeben und reichen Trost genießen. Von unserm Trost in Kampf und Leid laßet mich noch einiges sagen, − und wenn, was ich sage, an bereits Vorgekommenes erinnert, so vergeßet nicht, daß es durch die tröstende Absicht, die ich habe, neu und anders wird.

 Der Grund, um des willen ein Christ den Unwillen und Haß der Welt sich auflädt, ist das Zeugnis von JEsu, welches er ablegt. In der Art und Weise, das Zeugnis abzulegen, kann ein Christ freilich fehlen, und für diesen seinen Fehl wird ihm sein Gewißen schlagen, und was er deshalb trägt, trägt er durch eigene Schuld. Aber wenn und soweit er dabei nicht fehlt, sondern redlich thut, wozu ihn die Liebe treibt, hat er des reichen Trost; denn sein Zeugnis ist eins mit dem Zeugnis der Apostel und des Geistes JEsu, V. 26. 27. Die Welt verachtete einst das Zeugnis der heiligen Apostel, warum soll es uns befremden, wenn sie unser Zeugnis verachtet? Durch die Apostel zeugte der heilige Geist, und die Welt verachtete das Zeugnis des heiligen Geistes, was Wunder, wenn sie das deinige verachtet? Ist dein Zeugnis dem Munde der Apostel entnommen, so ist dein Zeugnis in gewissem Maße selbst des Geistes Zeugnis: so wirst du also nicht bloß wie der heilige Geist, sondern mit Ihm verachtet. Willst dus denn für etwas Schweres erkennen, mit den Aposteln, und nun gar mit dem heiligen Geiste, d. i. mit Gott Selbst, zu leiden? Mit Ihm − und mit JEsu − und mit dem Vater − und mit allen, die des dreieinigen Gottes sind, das

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/242&oldid=- (Version vom 4.9.2016)