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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Gleiche zu erfahren, das kann nicht schwer sein; in solchem Leid liegt selbst schon reicher Trost.


 Als David ins Heerlager gieng, woselbst er den Riesen erschlug, schalten ihn seine Brüder um der Kühnheit und Wagnis willen, die sie an ihm merkten. Er aber trug ihr Schelten mit leichtem Muthe, denn er konnte ihnen antworten: „Was habe ich denn nun gethan? Ist mirs nicht befohlen?“ So ist auch uns befohlen, von JEsu zu zeugen, und die Leiden des Zeugnisses, die Dornen der heiligen Rose, sind uns geweißagt, und wir sollten nicht ruhig sein? Eigensinn macht unruhig und Leiden für eigene Schuld drückt gleichfalls die Seele nieder, aber nach Gottes Willen handeln und leiden, das macht die Seele stille. Wer um des Zeugnisses JEsu willen leidet, dem widerfährt nichts als der Christen Zeichen von oben her; je getroster ers hinnehmen kann, desto gewisser kann er sich in Gott beruhigen. Für ihn betet die heilige Kirche als für einen Bekenner. Himmlische Glückwünsche der Engel und Palmen der Ewigkeit werden für den bereitet, der treu und still bleibt bis ans Ende im Zeugnis und in deßen Leiden.


 Alles streitet auf Erden, Streit und Kampf ist allgemein; aber nicht alle haben einerlei Grund und Ursach des Streites. Die Welt streitet um irdische Dinge, oft um Kleinigkeiten: Die Kirche streitet um die Ehre Gottes und um das Heil der Welt durch ihr Zeugnis und Bekenntnis. Was braucht sie sich zu schämen? Es ist der Mühe werth, da zu streiten, wo Gott streitet, für das ewige Heil der Menschen, fürs Augenmerk aller seligen Geister zu streiten. Also streite und leide dich und sei ruhig im verordneten Kampf. In solchem Kampfe hat man Gottes Segen und Beifall und die Gemeinschaft aller Heiligen.


 Als unser HErr am Kreuze erhöhet wurde, als das Kreuz in die Grube sank, in der es feststehen sollte, als Seine Wunden vom Stoße rißen, als heftiger Schmerz Seine heiligen Glieder durchdrang, da rief Er laut: „Vater, vergib, sie wißen nicht, was sie thun;“ − und als Er den Seinigen ihre Leiden und ihr Kreuz ankündigte, da sagte Er in gleichem Sinn: „Sie werden euch solches darum thun, daß sie weder Meinen Vater, noch Mich erkennen.“ Mit Gott, auf Seinen Befehl, um des besten, göttlichsten Grundes willen leiden und streiten, ist eine getroste, friedenvolle Arbeit. Aus der Ruhe und dem Frieden könnte man allenfalls bloß fallen, wenn man sähe, daß die Leiden von Menschen kommen. Wenn man nun aber so bestimmt hört, daß die Menschen gar nicht wißen, was sie thun, − daß das Leiden durch der Menschen Hände nur rinnt, wie durch den Kanal das Waßer, − wenn man die Menschen nur als blinde Handlanger von Gott gegönnter, mit Gott zu tragender, heiliger Lasten erkennen muß: da zürnt man auch nicht mehr mit den Menschen, die uns zum Leiden dienen, und es wird leicht, sich nicht an eigenen Leiden und nicht an fremden Leiden gleicher Art zu ärgern, sondern vielmehr getrost die edle steile Bahn zu gehen, so lange es Gott gefällt.


 Mit diesen Erinnerungen an kommende Leiden beginnen wir die Woche vor Pfingsten. Von Freudenfest zu Freudenfest sind wir seit Weihnachten gegangen. Das Pfingstfest soll unsre Freude vollkommen machen. Am Gedächtnisfeste der Ausgießung des heiligen Geistes sollen wir selbst erfüllt werden mit den Freuden und Kräften der zukünftigen Welt, von welcher hernieder aller Segen des N. Testamentes kam. In Hoffnung und Erwartung so großen Segens ists gut an den Wermuthtropfen zu gedenken, der den Freudenkelch nicht trüben, nicht verbittern und verderben, sondern nur würzen und desto schmackhafter machen kann. Gott sei gelobet für allen Pfingstsegen, der da kommt, durch welchen wir den Streit und alles Leid so leicht überwinden! Er sei gelobet für Streit und Leid, wodurch wir gedemüthigt werden, daß wir uns der hohen Offenbarung nicht erheben, und im höchsten Glück der Kirche noch Sinn und Sehnsucht für den Himmel behalten, wo wir für leidlos Glück und streitlose Ruhe reif und empfänglich sein werden! Amen.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/243&oldid=- (Version vom 4.9.2016)