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 Das ist unbegreifliche Liebe – und noch unbegreiflicher erscheint dieselbe heilige Liebe, wenn man bedenkt, daß ER zum voraus wußte, wie schlecht Ihm diese Liebe vergolten werden würde. Er liebte eine Welt, welche so gar verderbt war, daß sie auch nicht mehr lieben konnte, welcher ER selbst erst wieder Liebe holen mußte aus Gottes Liebesreichtum, wenn sie wieder sollte lieben können, was gut und heilig ist, – ER liebte eine lieblose Welt. Ja! ER liebt sie noch! Sie verachtet, verlacht, verspottet, verhöhnt Ihn – und wenn ihr die Macht von oben herab gegeben wäre, wie Pilato, so thäte sie noch mehr – sie würde Ihn ausrotten von der Erde, und wenn sie könnte, Ihm Seine Krone vom Haupt, Ihn selbst vom Throne reißen. Aber ER liebt fort, – ER schilt nicht, wenn ER in den Seinen gescholten wird, ER dräuet nicht, wenn ER leidet, – ER bittet aber für die, so Ihn beleidigen und verfolgen und segnet sie ohn Unterlaß – giebt ihnen Odem und tägliches Brod, und Sein Aufsehen bewahret ihnen Gnad’ und Gnadenstunde, Seine heiligen Engel sind und bleiben allzumal Geister, ausgesandt zum Dienste derer, welche die Seligkeit ererben sollen – und sie fort und fort verschmähen.

 Ist das nicht wunderbar große Liebe? Wo ist Ein Gott, wie der HErr Jehova JEsus Christus, der so geduldig ist, so voll großer Güte, wie ER?

 2. Ferner ist ER wunderbar in der von Ihm gestifteten Versöhnung. Wie wunderbar die Versöhnung ist, welche JEsus Christus durch Sein Leiden und Sterben gestiftet hat, – das kann man schon aus dem Unglauben der Welt erkennen. Das erscheinet ihr – sie weiß selbst nicht, wie sie sich ausdrücken soll, so gar sträubt sich alles in ihr dagegen – wunderbar, wunderlich, seltsam, unerhört, – unmöglich, unvernünftig und widervernünftig erscheint ihr’s, daß ein Verspeieter, daß ein Gekreuzigter, ein unter die Missethäter Gerechneter ein Opfer, ein Versöhnopfer nicht allein für alle groben Sünder, nein, auch für alle weltlich rechtschaffenen, untadeligen, gelehrten und geehrten Leute sein soll! Und doch ist’s so. Gott selbst spricht durch Seinen heiligen Geist: „Ohne Blutvergießen ist keine Versöhnung!“ Er selbst lehrt, daß