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ein anderer sein Schifflein führt, – getrost spricht: „Du leitest mich nach Deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an!“ (Ps. 73, 24).

 Dieser stumme Glaube, der auch in Nöten und Schrecken nur eins betet: „Dein Wille geschehe!“ ist groß – wer den hat, ist ein Held Gottes – und ein überirdisches Wesen, das auf den Wassern geht, wie auf festem Lande.

 Wohl dem, wer diesen großen Glauben hat! Wohl dem bußfertigen Herzen vor allen Dingen, welches, obwohl nichts sehend und des HErrn Erquickung noch nicht kennend, dennoch nicht verzweifelt, sondern still vertraut, es werde seiner Zeit seinem Mangel abgeholfen werden. Wer aber einen solchen großen Glauben nicht hat, wer im Schmerz der Buße eine laute, gewaltige Sehnsucht nach dem ewigen Tröster hat, wer, erschreckt vom Ungetüm des Lebens und Sterbens, rings keine Hülfe sieht, wer meint, Gott schlafe und vergesse sein, wer sagt: „Kümmert’s Dich nicht, JEsu, daß ich sterbe und verderbe?“ wer sich vor Jammer nicht zu lassen weiß – was soll der thun? Der thue, wie die Jünger thaten, der thue, wie geschrieben steht: „Rufe mich an in der Not,“ so wird er, wie die Jünger, in der That erfahren, daß es wahr ist, was der HErr verheißt: „Ich will Dich erretten!“ Ja, Seele, von äußerer Not betroffen, oder von Sünden gefährlich angefochten, rufe laut, schone Seiner Ruhe nicht, sprich: „Mache Dich auf, mache Dich auf, HErr!“ rufe: „HErr, ich verderbe!“ Die Wellen, die Winde, das Getös und Getön können Ihn nicht wecken – ER schläft ruhig; aber wenn ein bedrängtes Herz ruft, da wacht ER eilends auf, auf Fittichen des Windes eilt ER herzu und spricht: „Hier bin Ich, hier bin Ich!“ Es ist etwas Unkindliches in dem kleingläubigen Geschrei, aber ER vergiebt’s! Ehe dein Glaube gar erlischt, rufe getrost und laut – komme zu Ihm mit großem oder kleinem Glauben, mit stillem oder lautem – das ist eins! Es wird keiner hinausgestoßen, der zu Ihm gekommen! Fürchte dich nicht! – Siehe, was aufs Geschrei der Jünger auf der See geschieht, und nimm’s zu deinem Troste!