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als wären sie gut genug fürs Himmelreich, so bittet ER, wie am Kreuz, so jetzt noch für Seine Mörder, und wie Jesaias (53, 12) sagt, für die Übelthäter. Ja, ER ist der fromme Winzer, der nach St. Lukas’ Erzählung den HErrn des Weinbergs bittet, den Baum, an welchem drei Jahre umsonst Frucht der Buße und Besserung gesucht wurde, noch ein Jahr stehen zu lassen, damit ER ihn noch einmal mit Seinem Worte, Seiner Predigt gleichsam dünge, um ihn grabe mit Leid und Freude. Ja, ja, ihr, die ihr nicht drei, sondern dreißig, vierzig Jahre lang euch mit dem Worte Seiner Gnade habt umdüngen, umgraben lassen, ohne daß ihr aufhörtet, eure Laster abzulegen, eure Lust zu Trinken, Spielen und Lotterie, Tanz, Wollüsten, Geiz, Lügen und Betrug, – wenn ihr noch im Weinberge, noch im Lande der Lebendigen steht und das Erdreich hindert, bessere Bäume mit seinen Säften zu nähren, so ist das nur eine Frucht der Fürbitte Dessen, den ihr mit fortgehenden Sünden immer aufs neue kreuzigen möchtet, wenn es nicht Sein unabänderlicher Wille gewesen wäre, nur einmal zu sterben! ER, des Leiden, des Liebe, des Lehre, des Geist durch euer Leben beleidigt, durch eure Hartnäckigkeit fruchtlos gemacht wird, ER, von dessen Gnade ihr euren Odem habt, den ihr in Sünden verhaucht, ER, der Langmütige, Geduldige ist es, welcher für euch betet und mit Seinem Gebete die strafende Gerechtigkeit aufgehalten hat, die über euch schwebt! Ja, wenn noch eine Scham in euch ist, die ihr bei Trunk und Spiel Seiner spottet, so schämet euch vor dem frommen Fürbitter, denn von euch und Seiner barmherzigen Liebe singt der Dichter:

ER vergißt ja auch der Armen,
Die der Welt noch dienen, nicht,
Weil Sein Herz Ihm vor Erbarmen
Über ihrem Elend bricht.
Daß Sein Vater ihrer schone,
Daß ER nicht nach Werken lohne,
Daß ER ändre ihren Sinn,
Ach, da zielt Sein Bitten hin!

 ER bittet aber nicht allein für alle Menschen eine allgemeine Bitte, sondern ER betet insbesondere auch für Seine