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müßte immer der Bessere und der Dienende der Geringere und Schlechtere sein. Beim Fußwaschen ist das nun einmal nicht. Die, welche gleich Herren bedient werden, sind arme, sündhafte Leute, trotzige und verzagte Herzen, welche bald, wenn die Sonne sticht, ihren Heiland verlassen werden, statt mit Ihm in Not und Tod zu gehen. Ja, unter ihnen ist einer, der nach Ablauf von etwa vierundzwanzig Stunden einen falschen Eid und Schwur thun wird, daß er seinen Heiland, mit dem er drei Jahre herumgegangen, nicht kenne, und einer, in den der Satan schon gefahren ist und ihn verführt hat, um Sklavenpreis, um dreißig Silberlinge seinen Heiland zum Tode zu verkaufen, wie an Ostern die Passahlämmer verkauft werden. Das sind die Leute, die bedient werden; der aber, welcher dient, das ist ein Mann, welcher in dem Gewissen aller derer, denen ER diente, das Zeugnis hatte, daß ER ein Mann von tadellosem Wandel und wahrhaft würdig wäre, daß man Ihm diente, ein Mann, der nie eine Sünde gethan, in dessen Munde kein Betrug erfunden worden, auf den die Hälfte der heiligen Schrift, soweit sie nämlich vom Gesetz handelt, keine Anwendung litt, weil ER reiner ist als das Gesetz, weil Seine Heiligkeit das Urbild ist, von welchem das Gesetz nur ein Abbild ist, ein Mann, der unter allen, die von Adam bis ans Ende der Welt gelebt haben und leben werden, Seinesgleichen nicht hat, denn alle andern sind Sünder, und ER allein in einer zahllosen Schar von Menschen ist kein Sünder, ist von den Sündern abgesondert, ein reines Herz, ein Tempel Gottes, ein Schauspiel der Engel, eine Freude und Wonne des heiligen Gesetzgebers auf Sinai. Dieser Heilige Gottes dient! Und daß ER das thut, ist große Demut!

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 Das ist nun freilich wider unsern Verstand! Denn wie gesagt, der erinnert uns, daß der Schlechtere dem Bessern dienen soll und nicht umgekehrt. Indes, möge das sein! Aber sonst herrschen doch in der Welt, die Gewalt haben, und wer keine Gewalt hat, der dient, und das ist überdies Gottes Ordnung. Aber auch das ist beim Fußwaschen anders. Die