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 2. Doch dies Fußwaschen ist nur ein Tröpflein Seiner Demut, die wie ein Meer in Seinen Lebensbeschreibungen vor uns hingeschüttet ist und glatt und still uns anschaut, uns einladet, in ihr uns zu spiegeln und Thränen über unsern Hochmut hineinzuweinen. Dies Fußwaschen ist nur ein Teil des Gehorsams JEsu, den ER in Seinem ganzen Leben bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz bewies. Sein ganzer Lebenslauf ist Demut und nur Demut, Erniedrigung himmlischer Majestät, Entäußerung eines Mannes, der in göttlicher Gestalt war, Verleugnung himmlischer Hoheit zu unsern Gunsten. Sieh, ER, der die Beschneidung verordnet hat, läßt sich wie ein Sünder beschneiden, ER, der von allen Opfern versöhnt werden soll, läßt ein Reinigungsopfer über sich opfern. ER, dem alle Dinge gehorchen, den alle Kreaturen anbeten, von dessen Gehorsam und Dienst Lobgesang und Preis der Engel wiederhallen, ER gehorcht Seiner Mutter Maria und Seinem Pflegevater Joseph, armen Sündern. ER, der im Tempel angebetet wurde, von dem Weisheit ausging von alters her, der selbst die Weisheit ist, die die Welt erbaute, ER geht in den Tempel, läßt von grauen Männern sich lehren, die Ihn nicht kennen, die nicht wissen, was für ein Reich, was für eine göttliche Herrlichkeit in der Brust des zwölfjährigen Knaben lag, der vor ihnen stand! ER, der die Welt geschaffen und Himmel und Erde gegründet und erbaut hat, nimmt eine Axt und geht bei einem Zimmermann in die Lehre, lernt sein Handwerk und nährt sich und Seine Mutter mit diesem Handwerk dreißig Jahre. ER, auf dessen Namen Johannes alle Menschen taufte, allen Sündern von Ihm predigte, alle reuevollen Herzen zu Ihm, als zum Träger ihrer Sünden, zum Lamm Gottes wies, ER läßt sich mit derselben Taufe taufen, als wäre auch ER ein Sünder, als müßte ER sich selbst erlösen mit Seinem Blute. ER, von welchem allein aller Beistand in Versuchung kommt, wird versucht wie wir. ER, zu dem alle Nationen beten, betet selbst auf Bergen nächtelang! ER, von dem alle predigen, die je Weisheit gepredigt haben, predigt selbst. ER, von dem alle Obrigkeit Gewalt hat, wird aller Obrigkeit unterthan bis in den Tod, giebt dem Kaiser