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den Menschen ganz aus sich selbst in Bewunderung des unbegreiflichen Wesens und der herrlichen Eigenschaften Gottes versetzt, paßt trefflich auf den Sonntag der heiligen Dreieinigkeit. Das Dankgebet gehört auf Pfingsten, wo wir den HErrn für die reiche Ernte an himmlischen Gütern anbeten, mit welcher ER Sein Volk begnadigt. Heute aber ist’s das Bittgebet, von welchem wir reden wollen, denn es paßt ganz für den Vorbereitungssonntag der Pfingsten, wo alle Kirchkinder um Erfahrung der seligen Ausgießung des heiligen Geistes beten sollten.

 Das Bittgebet selbst zerfällt indes, nach der Einteilung des heiligen Apostels (1. Tim. 2, 1) wieder in dreierlei: Bitte, Gebet und Fürbitte. Mit dem Worte Bitte meint St. Paulus herzliches Seufzen um Abwendung eines Übels; mit dem Worte „Gebet“ die Bitte um Mitteilung dessen, was uns fehlt. Die Fürbitte kann beides sein, nur daß wir bei ihr nicht uns, sondern andere Gotte empfehlen. Wir haben es in dieser Predigt insbesondere mit dem Gebete zu thun, ohne indes der Bitte und Fürbitte ängstlich zu geschweigen.

 Als Text habe ich diesmal ausgewählt Luk. 11, 1 und zwar die Worte des Jüngers:

„Herr, lehre uns beten!“

Ich habe Gott gebeten, ER wolle euch beten lehren, damit ich euch sagen könne, was alles in dieser Bitte liege: Herr, lehre uns beten. Indes ist die Antwort auf diese Frage zu lang, um in einer Predigt vollendet zu werden, und ich spare daher die zweite Hälfte bis auf die morgige Bibelstunde, ganz zufrieden, wenn ich euch heute kürzlich gezeigt habe, daß in jener Bitte die vier anderen Bitten enthalten sind:

1. Lehre uns, was beten heißt,
2. wer beten kann,
3. was wir beten sollen, und
4. für wen wir beten sollen.