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Während der zehn Jahre, die man an den großen Klostergebäuden arbeitete, sammelte sich ein Haufe großen Theils hochgeborner Jungfrauen zu Odilien, um mit ihr den Segen eines gemeinschaftlichen christlichen Lebens zu theilen. Anfangs dachten sie an keine Regel, wie denn überhaupt Odilie auch durch ihre klösterliche Erziehung nicht dahin gestimmt worden war, im eigentlichen Sinne Nonne zu werden. Allein es zeigte sich auch bald, daß ein Zusammenleben so vieler Frauen ganz ohne Regel nicht sein konnte, und die Notwendigkeit trieb daher Odilie und die Ihrigen dahin, sich über eine gemeinschaftliche Lebensregel zu vereinen. Die hohe Lage des Klosters brachte den Bewohnerinnen ohnehin Beschwerden genug, weshalb Odilie nur sich, nicht aber ihren Schwestern diejenige Strenge des Lebens auferlegte, welche andere Nonnen trugen. Es war in ihr ein Geist der Freiheit und des Erbarmens, durch welchen sie und ihr Kloster sich auf eine evangelische Weise vor anderen ihrer Zeit auszeichneten. Am Fuße des Berges gegen Mittag hin erbaute sie ein Hospital zur Aufnahme von Nothleidenden und Gebrechlichen. Diese sollten den beschwerlichen Berg nicht ersteigen müßen; sie aber fand es nicht beschwerlich,

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/371&oldid=- (Version vom 9.10.2016)