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mochten, blieben weg, wie ich das aus einer Mittheilung des Herrn P. Grabau weiß.

 Die Zeit von 1845 bis 1848 verging allerdings nicht unbenutzt; es wurden Versuche gemacht, den Schaden zu heilen. Da es aber den sächsischen Brüdern nicht gelang, das gewünschte Einverständnis herzustellen; so ließen sie die Acten drucken, so wie sie nun zu jedermanns Einsicht vorliegen, und begründeten dies Verfahren p. 95–101 der angegebenen Schrift

 Darf ich es nun fürs erste wagen, mich über den Ton zu äußern, welcher in den beiderseitigen Streitschriften herrscht und je länger, je lauter sich erhebt: so vermisse ich, ich bekenne es, beiderseits diejenige Liebe, Schonung und Langmuth, welche bei ehrlichem Streite so viel zum Frieden und für die Wahrheit vermag. Die Frage, wo die erste Reizung geschah, kann jeder Leser leicht selbst beantworten; sie möchte aber gleich da oder dort geschehen sein, so hätte sich doch die Liebe nicht sollen erbittern laßen, die Wahrheit hätte im Frieden den Weg zum Tageslicht finden können. Wo soll sich denn Ruhe finden, wenn nicht bei der Wahrheit, und welcher Eifer bedarf mehr der schonenden Sanftmuth, wenn der nicht, welcher die Aufgabe hat, die nächsten Verwandten zufrieden zu stellen? Als ich im Vorwort des seligen Löber p. 7. den Ausdruck „gefallener Knecht“ las und erkannte, wie leicht er auf P. Grabau und seine mitverbundenen Freunde und Amtsbrüder bezogen werden konnte, fühlte ich im Herzen eine wehe Wunde. Und als ich in Grabaus Antikritik den Schluß (p. 51.) und nun gar p. 55. die siebzehen Irrthümer las, welche zumal so, wie sie hingestellt sind, nun einmal billiger Maßen den sächsischen Pastoren nicht zuzuschreiben sind, da wurde ich, ich kann es nicht verhehlen, noch beklommener. Immer die nachfolgende Schrift überbietet die vorausgehende an Wehethuendem. Christi Knechte konnten vor seinem Kreuz und Angesichte eine freundlichere Gesinnung finden und heilendere Worte. Hier haben sich, meiner geringen Ansicht nach, beide Theile zu verzeihen und es dürfte wohl am besten sein, wenn sich beide Theile fürs Erste das gegenseitige Sündenbekenntnis erließen und es dem Geiste Gottes überließen, sie sänftiglich zur Erkenntnis und zur Buße zu leiten und ihnen Herz und Mund zu ungefordertem, demüthigen Selbstbekenntnis zu bereiten.

 Was die Streitpunkte selbst anlangt, so finde ich:

a. einiges, worin meines Erachtens beide Theile entweder von vornherein einig waren und sich nur misverstanden, oder im Verlaufe des Streites sich selbst klarer wurden und dann sich gegenseitig annäherten;
b. einiges, worin mir beide Theile zu irren scheinen;
c. einiges, worin die sächsischen Brüder,
d. einiges, worin Herr P. Grabau irren dürfte; und endlich
e. manches, was wohl als offene Frage der weiter gehenden Erleuchtung vorbehalten bleiben könnte.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)