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werden, daß Eine heilige Ordnung von kirchlich-pädagogischem Standpunkt aus als hochwichtiges Förderungsmittel des Bewußtseins kirchlicher Zusammengehörigkeit und Einheit angesehen werden muß.

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 Aehnlich verhält es sich rücksichtlich der Lehre vom geistlichen Priesterthum aller Christen. Grabau sagt p. 38.: „Vom geistlichen Priesterthum lehrt die heilige Schrift, daß es bei allen Gläubigen, Männern und Weibern, Alten und Kindern, darin besteht, daß sie als rechtgläubige Christen für andern Menschen die Herrlichen, die Auserwählten Gottes, Heilige und Geliebte und Erstlinge seiner Kreaturen sind, und daß sie täglich opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch JEsum Christum, und durch Christi Blut erlöst, freien und freudigen Zutritt zum Gnadenthron Gottes haben. (Ps. 16, 3. Col. 3, 12. Jac. 1, 18. 1. Petr. 2, 5. 9. Ebr. 13, 15. 16. Röm. 12, 1. Apoc. 1, 5. 6.)“ Allerdings besteht nun der Beruf eines Priesters (ἱερεῦς) zunächst im Opfer, und darauf bauend, wollte nun Grabau auch das „Verkündigen der Tugenden des, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte“ (1. Petr, 2, 5. 9.) von den „geistlichen Opfern vor Gott“ verstehen, „die alle Gläubigen mit Herz und Munde und Leben bringen, weil sie nicht mehr im Finstern nach dem Fleische wandeln.“ Dagegen reden nun die sächsischen Brüder p. 66. und sagen: „Es ist §. 3. bei dem aufgestellten Begriff des geistlichen Priesterthums aller Christen wohl von den geistlichen Opfern die Rede, die Gott angenehm sind durch Christum; aber auch mit keinem Wort wird der Tugenden Gottes gedacht, die ein geistlicher Priester verkünden soll. Der herrliche Spruch, worin dies steht, 1. Petr. 2, 9., ist wohl mit angeführt; aber in den beiden folgenden Paragraphen auch wieder entkräftet und ganz falsch allein wieder auf die geistlichen Opfer vor Gott bezogen.“ Ganz treffend zeichnen sich hiemit beide Richtungen. Die sächsischen Brüder gehen über die Opferpflicht, welche das geistliche Priesterthum seinen Trägern auflegt, ziemlich schnell hinweg, wie wenn ihnen diese Idee gleich vielen treuen Lehrern der älteren Kirche, weniger wichtig und geläufig wäre. Andererseits betont Grabau, obwol er durch den Satz: „die Gläubigen bringen die Opfer mit Herz und Mund und Leben“ darauf hindeutet, doch die Pflicht des priesterlichen Zeugnisses zum Heile der Welt etwas zu leise. War doch auch das hervorragende Geschäft der alttestamentlichen Priester das Opfer; und doch heißt es: „Des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren.“ Warum sollte also geleugnet werden, daß auch die Gläubigen des Neuen Testaments, als Gottes auserwähltes, priesterliches Volk, neben dem Opfer zu Gott heilsames Zeugnis gegen die Welt und vor den Brüdern, welches ja auch ein Opfer genannt werden kann, (von St. Paulus auch so genannt wird), – abzulegen haben? Die Hauptsache des geistlichen Priesterthums ist dies nicht; Grabau hat richtig die Hauptsache genannt und hervorgehoben, hatte auch ein Recht, sie gerade jetzt hervorzuheben, da man ja in unsrer Zeit das geistliche Priesterthum meistens nur in seiner Berechtigung gegenüber, dem Amt und den Menschen überhaupt, selten aber in seiner Pflicht gegen den HErrn zu lehren, zu rühmen und zu preisen pflegt. Aber P. Grabau wird auch meines Erachtens gar nicht haben leugnen wollen,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/102&oldid=- (Version vom 1.8.2018)