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ihm, ist gleich ihm der Gemeinschaft der andern los. Wenn hingegen der Pfarrer äußere Anordnungen, welche sich nicht aus den gegebenen Verhältnissen als nothwendig und vom Wort erheischt darstellen, kraft seiner Amtsgewalt durchzusetzen, – seinem menschlichen Ermeßen göttliche Nothwendigkeit beizulegen strebt; so geht er über seine Grenze, provocirt den Ungehorsam, der vielleicht schon entweichen wollte, herrscht, statt zu weiden; und wenn seine Gemeinde hierin den Gehorsam versagt, so kann es zwar in hundert Fällen sein, daß sie sich hiebei versündigt, aber der Pastor hat sie dazu versucht, – und in manchen Fällen kann es auch sein, daß sich die Gemeinde durch ihr Widerstreben nicht versündigt, daß sie nur ihr Recht gebraucht und ihre Pflicht übt. „Ihr seid theuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte“, sagt der Apostel und davon gilt hier die Anwendung. Geht nun in solchen Fällen der Geistliche so weit, die Widerstrebenden zu excommuniciren; so geschieht ihnen Gewalt für Recht. Sie können vielleicht in der Sache viel zu bereuen haben, aber darin sind sie nicht schuldig, daß sie dem Pfarrer in den Dingen auf sein bloßes amtliches Ansehen hin nicht gehorchen wollten, auf welche sich sein Bischofsrecht nicht erstreckte. „Nicht als die über das Volk herrschen“, warnt ein großer Hirte. Es ist allerdings ein Unterschied zwischen christlicher und kirchlicher Freiheit, und eine Gemeinde kann allerdings, wenn sie will, ihrem Hirten viel Macht auch in äußerlichen Dingen geben; aber sie muß nicht. So gewis sie in allem, was Gott gebot oder verbot, dem Wort und seinem Diener zu gehorchen hat, so gewis ist sie in andern Dingen, die Gott frei ließ, nicht verbunden, andere Gründe, als die der Ueberzeugung und Belehrung gelten zu laßen. Luthers Worte p. 32. finden hier um so gewisser ihre Anwendung, als in Nordamerica kein weltlicher Gewalthaber als Summus episcopus seine Stellung in die Wagschaale wirft. – Ganz etwas anderes ist es, wenn Ignatius die Christen vermahnt, nichts ohne den Bischof zu thun, und wenn der Bischof den Anspruch stellt, daß seine Gemeinde in Sachen, wo nur die freie Ueberzeugung walten kann, seinem Ansehen und Ermeßen unbedingt gehorche. Diese Forderung wäre wohl von Ignatius weder in Theorie, noch in Praxis gemacht worden. Wohl aber konnte er durch jene den freien Willen ziehen und zum Bischof, d. i. zum Worte und zu göttlicher Weisheit leiten.

 Wird nun eine auf dem Gebiete der Adiaphora oder der individuellen Freiheit dem gebietenden Bischof widerstrebende Gemeinde um deswillen von ihm excommunicirt; so ist sie keine Rotte. Der seine amtliche Befugnis überschreitende Bischof hat in diesem Falle das Band zerrißen, und um seines Fehls willen kann die Gemeinde der kirchlichen Gemeinschaft, des Sacraments und der Wohlthaten des Amtes nicht verlustig gehen. Ein Pastor oder eine Synode, welche nach klar erkannter Unschuld der Gebannten rücksichtlich des Excommunicationsgrundes sich derselben annimmt, hat dafür keine Buße zu thun. Der neue Pastor ist kein Rottenprediger; er trägt unverdiente Schmach, wenn man ihm diesen Namen gibt.

 Es ist nicht meine Sache, über einzelne Fälle zu sprechen. Aus solcher Ferne erkennt man nicht sicher. Aber die Auffaßung der Stelle Ebr. 13, 17.,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/117&oldid=- (Version vom 1.8.2018)