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die lutherische Kirche seitdem rücksichtlich äußerer Ausbildung und Einflußes nach außen hin litt, ihre gedrückte Lage, was etwa verkehrte Leitung verschuldete? etc. etc. Vielleicht macht dies Studium allseitiger gerecht. Vielleicht findet man dann auch gutes Gewißen, nicht bloß zu behalten, was wirklicher Gottessegen der Reformation ist, sondern auch, auf der Basis der Reformation vorwärts gehend, manch edlen Baustein beßerer Zeiten wieder einzufügen, nachdem er lang genug von den Bauleuten verachtet oder übersehen wurde. Dabei laße man sich Zeit. In der einen Hand den Stachel, der vorwärts treibt, führe man in der andern fest die Zügel, die den Lauf des Wagens hemmen und regieren. Man versäume nicht persönliches Vernehmen, das zwar sehr oft verunreinigt und falschen Eindrücken Raum gibt, das aber bei wachen Menschen die Gemüther lindert.

 Gewis, es wäre eine Freude unsers HErrn, Seiner Engel und Auserwählten, wenn die, welche nicht, wie wir diesseits des Waßers, erst über die nöthigsten Bedingungen kirchlichen Lebens, d. i. über Lehreinheit und Zucht, zu kämpfen haben, denn darin sind sie einig, sich in dieser oder einer vollkommeneren Weise die Hände böten. Dagegen wäre es ohne Zweifel eine Freude des Teufels, wenn die vorhandene Erbitterung sich nicht legte, wenn ein Theil, um den andern unbekümmert, seine Wege gienge.

 Es ist ja dabei gar nicht nöthig, daß sich alle zu Einer Synode zusammenthun; ist doch die Synode Missouri ohnehin schon zu groß und weit, als daß sie lange noch eine einzige sein könnte. Aber Kirchengemeinschaft, diese Bürgschaft, dies Zeugnis wahrer Einigkeit, sollte sein. Ja, es könnten die Gleichgesinnten sich immerhin zu gemeinsamen Synoden zusammenfinden, was wegen mancher aus den Hauptgrundsätzen entspringenden Verschiedenheit der Amtsführung nicht einmal von Uebel wäre, wenn nur Kirchengemeinschaft und zu deren öffentlicher Darstellung, Bethätigung und Stärkung womöglich eine einheitliche Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten bestände, Eine Generalsynode, die über allem wachte, worin man durch Gottes Gnade einig ist: und das ist weitaus das Größte und Meiste! Das alles gienge ja wohl bei festgehaltenem Grundsatze, über die Differenzpunkte nicht böslich zu streiten, friedlich in JEsu Schule zu gehen und das Gefundene thetisch und apologetisch den Brüdern vorzulegen.

 Der HErr erhöre das sehnliche Flehen so mancher Freunde in Deutschland, welche für die Brüder in America beten

um Frieden!




 Der HErr helfe aber auch uns im alten deutschen Lande! Auch hier, wie jenseits schlummerten längst im Mutterschooß der Kirche zweierlei Richtungen, die nun vielleicht das Auge öffnen und sich einander gegenüber sehen. Die eine findet vielleicht an den Ergebnissen der Theologie voriger Zeiten, aber nicht an der Lösung der praktischen Fragen, welche überliefert ist, ein Genügen, während umgekehrt die andere, mit dieser zufrieden, das Vorwärts mehr auf jenem Gebiete

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)