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erstrebt. – Pfarrer werden gern auf jener Seite stehen. Ach, es ist wahrlich schwer, das Amt zum Segen der Gemeinde zu führen, wenn nicht die Bedingungen einer rechten Pädagogie gegeben und zu den Heilsmitteln die Subsidien des Heils, wie man sie nennt, in rechter Kraft und Macht gekommen sind. Das Wort ist mächtig, es thut alles im Großen und Kleinen, wer weiß, wer erfährt das nicht im Amtsleben alle Tage. Aber das Wort sucht menschliche Canäle und auch hier ist alles menschlich und göttlich zugleich. – Die lutherische Kirche hat Waßer des Lebens genug und Himmelsmanna im Ueberfluß, Spies und Wehr und alles zu Schutz und Trutz: und doch, – warum ist sie nicht in 300 Jahren ein größerer Segen der Welt geworden? Weil sie aus Mangel an Gestalt und Form, an Weg und Steg nicht faßlich, nicht kenntlich, im Großen nicht praktisch genug war. Die edelste Seele ohne Leib ist wohl für die Stadt Zion, aber nicht fürs Jammerthal geschickt. Ein allzugenügsames Genügen am Spirituellen macht einsam, hemmt die Wirkung. – Soll die lutherische Kirche noch etwas Rechtes zum Segen der Welt werden und leisten, so muß sie eine ihrer würdige äußere Erscheinung finden, was ohne ein göttliches, nach allen Seiten hin gerüstetes, allerdings auch innerhalb der göttlichen Schranke, die ihr ein Gurt der Nieren ist, waltendes Presbyterium und ohne Organisation nimmermehr, auch nicht dem Anfang nach geschehen wird. – Wo ist die lutherische Kirche? fragt der Heide, der Sectenangehörige. Was sollen wir auf diese Frage sagen? Weisen wir auf diese Symbole? Symbole sind Loosungen innerhalb des Lagers, zu schwer erkennbar für den, der draußen ist. Auf sie den Fragenden verweisen ist unpädagogisch. Der ernste Forscher, der den Willen mitbringt, eine Kirche kennen zu lernen, lernt sie aus den Symbolen kennen. Er wendet Mühe und Fleiß auf sie. Aber wir wollen ja nicht bloß die Forscher, wir wollen die Einfältigen und die am Markt des Lebens müßig stehen, mit unserer Antwort befriedigen, – und denen dienen wir mit der Verweisung auf Symbole nicht. In unsern Thoren fest und sicher wohnend, fragen wir, wie führen wir die Armen, die Lahmen, die Krüppel herzu? – Wenn das Kind nach der Mutter weint und ihrer Nahrung bedarf, gibt man ihm nicht den Gedanken, nicht das Bild, nicht die Beschreibung der Mutter, nicht eine Darstellung ihres Denkens, Glaubens, Wollens: eine Mutter in lebendiger Leiblichkeit gibt man ihm. So gedeiht es an Leib und Seele. So gedeiht der Heide, der Sectenangehörige, der Irrende zu Geist und Bekenntnis unsrer Kirche, wenn wir ihm eine einheitliche Erscheinung, Eine Repräsentation, dasselbe Presbyterium, dasselbige kenntliche Walten des Presbyteriums, Einen Gottesdienst etc. etc. allenthalben bieten. Die Kirche ist nicht Eins durch äußere Erscheinung, sondern durch innere, durch Lehr- und Bekenntniseinigkeit; aber sie zieht, sie lockt, sie sammelt, sie feßelt, sie hält nicht, wenn nicht dem Menschen, der auf allen Stufen seiner Ausbildung hilfsbedürftig bleibt, durch einheitliche Erscheinung und Anstalt entgegengekommen und Hilfe gegeben wird. Gottes Wort und Sacrament in Mund und Hand einer würdiglich und einheitlich erscheinenden und waltenden Kirche wird den armen Seelen ein lichter Stern, dem sie am leichtesten zum ewigen Leben folgen. So ordne sich allenthalben die lutherische Kirche, die

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)