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schlucken. Eine solche Erleichterung war bei dem Sacramentsgenusse nicht vorhanden; sie mußte fürchten, beim Schlingen des Weines sich heftige, schmerzhafte Anfälle zu erregen und hatte schon Warnungen durch Beispiele empfangen; aber das achtete sie nicht; den Schluck Weines, aus welchem sie das Blut Jesu Christi gewann, schlürfte sie, sechs bis sieben Mal absetzend, um ja die Gewißheit völligen Empfangs zu haben. Dabei leuchtete ihr Angesicht von Morgenroth des ewigen Lebens und großer Schönheit. – Die Selige hat eigenhändige Anordnung um ihre Leiche hinterlassen. Diese Anordnung schließt mit folgenden Worten: „Das habe ich Euch, meine Kinder, darum geschrieben, wenn mich der HErr mit einem Schlagflusse heimsuchen sollte und ich nimmer reden könnte. Und dann, und dann, wer kann sie denken die Wonne, die mein Herz erfüllt, wenn keine Leiden mich mehr kränken, Licht Gottes mir aus Christo quillt! O, dann, dann ist mein Geist genesen, und ich werde bei dem HErrn sein allezeit. Ich freue mich recht darauf, und auch ihr, meine Kinder, werdet ein freudiges Halleluja anstimmen, denn ich glaube fest darauf, daß mich der HErr nicht verläßt, sondern zu sich nimmt. Amen. Durch Jesum Christum, seinen Sohn.“ Die feierliche, fröhliche Stimmung dieser Worte lag bei ihrem letzten Abendmahlsgenuß auf ihrem Angesicht.

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 Bei solcher religiösen Gesinnung konnte es auch an Früchten des Geistes nicht fehlen. Ein durchaus würdiger Wandel, ein gestrenges Halten auf Zucht und Sitte, auf Haus- und persönliche Andacht, Nüchternheit, Mäßigkeit, Ordnung, Stille und Schweigsamkeit, Mildigkeit und Gütigkeit waren an ihr gewiß Jedem erkennbar, der näher mit ihr umgieng, – und es ist das um so mehr anzuerkennen, als sie keinen schwachen, sondern einen starken Charakter, einen ungemeinen Scharfblick in Beurteilung fremder und der eigenen Kinder hatte. Eine besondere

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/104&oldid=- (Version vom 1.8.2018)