Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/241

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des Bewerbers ein Urteil bilden zu können, Löhe’s homiletisches Erstlingswerkchen, die anno 1834 erschienenen „Sieben Predigten“ zur Hand nahm und unglücklicher – oder glücklicher Weise – auf die schon in Nürnberg berüchtigt gewordene Predigt „von der seufzenden Creatur“ stieß, nach deren Durchlesung er das Verdict fällte: „Was will man mit dem Manne? Der ist ja ein Narr“. Das Schicksal von Löhe’s Bewerbung um die Augsburger Pfarrstelle war hiemit entschieden. Nicht besseren Erfolg hatte seine Bewerbung um die Stelle bei St. Lorenzen in Nürnberg. Den Grund, warum auch diese Meldung erfolglos blieb, vermutete Rector Roth in der „großen Furcht unserer gebietenden Herren vor Einem, der uns könnte bekehren wollen“. Warum Löhe auch bei seinen Meldungen nach Fürth und Erlangen hinter andern Bewerbern zurückstehen mußte, darüber haben wir keine Kunde. Das aber ist sicher, daß Löhe vom Jahre 1848 an jeden Gedanken an einen Weggang von Dettelsau aufgegeben hat. Die Führung Gottes, welche ihm sein Neuendettelsauer ebenso einsames wie thätiges Stillleben erhalten wollte, war ihm von da an klar geworden. Es ist vielleicht auch nicht so schwer, Sinn und Absicht dieser manchem unbegreiflich dünkenden göttlichen Führung zu erkennen, die da wollte, daß Löhe von einem unansehnlichen Mittelpuncte aus seine großartige Wirksamkeit entfalte. Die Flur von Neuendettelsau ist still und abgeschieden, aber von der einsamen Hochebene kann der Blick ungehindert stundenweit über die Uferhügel der Rezat in die Ferne schweifen bis dahin, wo der fränkische Höhenzug, dessen Kamm die europäische Wasserscheide des Frankenlandes bezeichnet, den Horizont begrenzt. So war der unscheinbare Ort wol ein passender Schauplatz für die Thätigkeit eines Mannes, dessen Blick wie wenig Anderer in die Weite trachtete, dessen Wirksamkeit von dem stillen Mittelpuncte seines abgelegenen

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)