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Dörfleins aus sich in zwei Welttheile erstreckte. Hier konnte er von stiller Warte aus mit leidenschaftsloserer Ruhe und hellerem Blick den Gang der Zeitereignisse auf weltlichem und kirchlichem Gebiete verfolgen, als wenn ihn Gott mehr in örtliche Mittelpuncte der Bewegung und in das Getriebe der Parteien gestellt hätte. Hier war freier Raum für seine späteren Schöpfungen; niemand hinderte ihn hier, nach dem Maße des Gelingens, welches ihm Gott verlieh, seine Zeltseile weiter und weiter auszudehnen. Hier konnte sich, ungehemmt durch beengende Rücksichtnahme auf seine Umgebung und bestehende Verhältnisse, auch seine Eigenart kräftiger entfalten und allem, was um ihn her entstand, den Stempel seines Geistes aufprägen. Naturen, wie die Löhe’s, sind nicht für gemeinsames Wirken, nicht für koordinierte Stellungen, sondern für einsame Selbständigkeit geschaffen, werden aber trotz derselben vermöge der von ihnen ausgehenden Anregungen Mittelpuncte für neue, von ihrem Geiste beherrschte Gemeinschaftsbildungen, Centren, die sich selbst einen Umkreis um sich her schaffen.

 Auf Grund solcher Erwägungen halten wir es für nicht so schwer, die göttliche Absicht zu begreifen, die es fügte, daß Löhe’s Leben sich in der einsamen Stille einer Dorfpfarrei abwickeln sollte. So blieb denn Löhe sein Leben lang ein einfacher Dorfpfarrer. Er hat kein höheres Kirchenamt, nicht einmal eine Capitelswürde bekleidet. Das Capitel Windsbach wählte ihn im Jahre 1843 zu seinem Senior, allein das Consistorium hieß die Wahl nicht gut. „Es ist mir sogar lieb“ – schreibt Löhe an Wucherer. „Aber man sieht doch, was man gilt. Sie haben mir die Note I mit Auszeichnung, d. i. mit der Bemerkung gegeben: eignet sich mit der Zeit zu höheren Kirchenämtern. Aber es scheint, als ob sie auch ein Seniorat für ein höheres Kirchenamt halten, für das es nicht Zeit ist.“

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/242&oldid=- (Version vom 1.8.2018)