Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/342

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papiernes und obendrein der Anfechtung ausgesetztes Recht. Haben wir das Recht, so laßt es uns brauchen und sehen, wie weit es langt; können wirs aber nicht ausüben, nicht auf Bekenntnistreue nach oben und unten dringen, ach nun, dann wollen wir uns über unsre Lage auch keinen Sand in die Augen streuen, und wäre er auch von den Unterschriften der Konkordia genommen. Eine Kirche, welche de facto unlutherisch ist und nicht alles thut, dem Recht gemäß sich wieder einzurichten, hat an ihrem Recht und Freibrief einen Vorwurf, keinen Trost, eine Anfechtung, nicht eine Garantie ihres Lebens, zumal wenn dies im Sterben liegt... Gibts denn sonst keine Art und Weise zu sterben und aufzuhören, als durch Urkunden und Akte des Staates? Was helfen dem Leichnam im Sarge die Urkunden? Was tot ist, ist tot, und wenn das Recht zu leben tausendmal verbrieft ist. Zum Leben einer Kirche gehört doch vor allem und einzig das Leben; ist es nicht da, so rede man nicht vom Recht, das niemanden aus dem Tode wiederbringt, sondern man bekenne und rufe den an, der die Toten auferweckt!“ Von diesen Anschauungen aus regelte sich Löhes kirchliches Handeln. Freilich mußten seine – sehr erklärlichen – Zweifel an dem Rechtsbestand einer lutherischen Kirche in Bayern ihm zuweilen den richtigen Gesichtspunkt des Handelns verschieben und in seine sonst gewissen Tritte zum Ziel vorübergehende Unsicherheit bringen. Unsrer Meinung nach – wenn wir hier eine, allerdings wohlfeile, retrospektive Kritik üben wollen – wäre der richtigste Weg der gewesen, daß man zunächst das gute – wiewohl durch latitudinaristische Ausdrücke und konfessionswidrige Bestimmungen der Verfassungsurkunde verdunkelte – Recht der lutherischen Kirche Bayerns zu konfessioneller Sonderexistenz nachgewiesen und damit die Rechtsbasis derselben außer allen Zweifel gesetzt hätte, und dann fußend auf diesem neu konstatierten Recht mit aller Macht auf Abstellung der bekenntniswidrigen Misstände in Verfassung, Regiment und Leben der Kirche zu

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/342&oldid=- (Version vom 1.8.2018)