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Ansichten der Petenten über den Rechtsbestand der lutherischen Landeskirche in Bayern berichtigen und ihre Gewissensbedenken über die hinsichtlich der Abendmahlspraxis bestehenden Ausnahmszustände beruhigen werde.

 Inhaltlich der erwähnten Eingabe vom 9. Oktober d. J. ist diese Hoffnung nicht erfüllt worden. Zwar erklären die Beteiligten „noch ferner in dem Komplex der Landeskirche verharren“ zu wollen, und haben demnach ihren Entschluß aus derselben auszutreten aufgegeben. Aber zugleich hat aus jener Eingabe mit großem Bedauern entnommen werden müssen, daß die Unterzeichner derselben nicht nur bei ihrer irrtümlichen Auffassung der landeskirchlichen Verhältnisse beharren, sondern auch dieser ihrer Auffassung die Folge geben, daß sie keinen Pfarrer oder andern Christen, welcher bewußtermaßen an der von ihnen für Sünde, für den schwärzesten Flecken in unsern kirchlichen Verhältnissen erachteten sogenannten Abendmahlsgemeinschaft von Lutheranern, Reformierten und Unierten teilnehme, für lutherisch halten können, und dieser ihrer Überzeugung in allen ihren amtlich-praktischen Verhältnissen Nachkommen zu müssen erklären.

 Das Königliche Oberkonsistorium ist weit entfernt, dem Gewissen Einzelner, wenn sie in besonderen Fällen und bei Ausübung ihres nächsten und unmittelbaren Berufes in nicht zu hebende Bedenken kommen sollten, eine thunliche Rücksicht nicht angedeihen lassen zu wollen. Aber daß einzelne als ein Recht ansprechen und dieses Recht sich selbst nehmen, in ihren amtlich-praktischen Verhältnissen ihr subjektives Urteil zum Maßstab ihres Handelns selbst bis zur Aufhebung der Kirchengemeinschaft zu machen, und damit innerhalb der Landeskirche eine Sonderstellung sich anzueignen, kann von der obersten Kirchenstelle nicht gestattet werden, indem auf solche Weise die ganze kirchliche Ordnung gefährdet, die kirchenregimentliche Leitung unmöglich gemacht und ein Verfahren eingeführt werden würde, das, wenn es in der Kirche sich geltend machen dürfte, kaum zu berechnende Verwirrungen und Zerrüttungen in steigendem Maße erzeugen müßte.

 Hienach sieht sich die oberste Kirchenstelle genötigt, an die Unterzeichner der Eingabe vom 9. Oktober d. J. die ernste Aufforderung ergehen zu lassen, daß sie, nochmals mit ihrem Gewissen zu Rate gehend, entweder der Landeskirche ohne die aufgestellten, die kirchliche Ordnung und Gemeinschaft verletzenden Bedingungen sich treu und gehorsam wieder anschließen oder ein Amt niederlegen, das sie bei dem Beharren auf diesen Bedingungen nicht mehr würden führen können, etc. etc.

 München, den 5. November 1851.

Königliches protestantisches Oberkonsistorium
v. Arnold.
Friedrich.


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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/403&oldid=- (Version vom 1.8.2018)