Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/422

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hat. Jedenfalls habe ich fleißigem Durchlesen der Akten, eigens entworfener Gutachten und Änderungsvorschläge zu entnehmen gehabt, daß ich die früher gestellten Anträge selbst nicht hätte einfach bejahen können. Sie kennen teils den Thatbestand im einzelnen nicht, teils gehen sie von dem Irrtum aus, daß mit Generalerlassen geholfen werden könne. Das ist aber geradezu unmöglich, so verzwickt und lokal verschieden sind die Übelstände. Zudem kommt, daß die Aktenangaben über die Thatbestände sich öfter widersprechen und ich selbst nicht weiß, ob ich überall klar sehe. Zuletzt wird nichts als Hinausgehen und Selbstsehen helfen.

 Doch über diese Dinge ließe sich vielleicht sprechen, schreiben aber für jetzt noch nicht. Ich würde vielleicht auch über das andere noch nicht geschrieben haben, wäre in Deinem Briefe nicht ein Verlangen nach guter Zeitung zu lesen gewesen. Ich für meinen Teil preise den HErrn selbst dafür, daß er die Freude nur sehr tropfenweise gibt. Es ist eine heilsame Demütigung und ein Fingerzeig, daß Er regiert und nicht wir. Zudem wird es in dieser Zeit nicht über Freude unter Furcht und Zittern hinauskommen“ etc. etc.

 Löhe sah diese Anzeichen und Anfänge einer Wendung zum Bessern in den kirchlichen Verhältnissen seines Heimatlandes mit Freude und Hoffnung. Aber es fehlte viel, daß er von diesen Erstlingsfrüchten der kirchenregimentlichen Wirksamkeit Harleß’ sich hätte wahrhaft befriedigt fühlen können. Er war und blieb auch den sich allgemach in manchen Stücken bessernden Zuständen der bayerischen Landeskirche gegenüber ein „Unzufriedener“. Aber er war ein Unzufriedener nicht aus Lust zur Opposition, sondern aus tiefinnerer Sehnsucht nach dem Vollkommneren. Er war seiner ganzen geistigen Eigenart nach ein Mann des heiligen Vorwärts, ein vir desiderii. Solche Unzufriedenheit, die auf dem Gebiet des persönlichen Christenlebens eins ist mit der immerwährenden Buße und dem Streben nach Heiligung, ist nicht minder ein Zeichen des rechten Christen

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/422&oldid=- (Version vom 1.8.2018)