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die geringste Lehre des Evangeliums fallen lasse, so verletze ich die angelobte Treue gegen den Herrn und meine Gemeinde; wenn ich aber mich nicht schäme, um der geringsten willen alles dahin zu nehmen, so bleibe ich meiner Herde ein getreues Licht und bestätige ihr alles, was ich ihr nun bald 22 Jahre gepredigt habe.

 Die Zuchtordnung, soweit sie hier in Übung ist, ist folgende:

 1) Bei der Anmeldung, welche am Altare geschieht, pflegen Kirchenvorsteher gegenwärtig zu sein, ohne Zwang, welche können und wollen. Zuweilen machen sie mich aufmerksam auf einen Konfitenten, dessen offenbare Sünden die ganze Gemeinde weiß, nur ich nicht. Zuweilen frage ich sie, wenn ich über den einen oder andern Konfitenten einen Zweifel habe, namentlich über den Wandel junger Leute. Ergiebt sich ein Fall, in welchem ein Beichtkind nicht ohne weiteres zugelassen werden kann, so wird derselbe, wenn seine Sünde offenbar und jedermann kund ist, besprochen, und er zur Buße und Umkehr mit Liebe und Ernst ermahnt, wozu die Kirchenvorsteher, zuweilen auch andere Christen treulich helfen.

 Ist die Sache, welche besprochen werden muß, nicht offenbar oder nicht allen offenbar, so wird sie auch nicht vor allen vorgenommen, sondern entweder von dem Pfarrer allein, oder von ihm in Gemeinschaft mit etlichen oder allen Kirchenvorstehern in der Sakristei oder zu besonderer Zeit im Pfarrhause. Über Kirchenvorstehersitzungen dieser Art, welche bloß seelsorgerischer Natur sind, führen wir kein Protokoll, beobachten überhaupt keine Form als die der brüderlichen Liebe.

 2) Nimmt ein Ermahnter das Wort Gottes nicht an, sondern verharrt unbußfertig in seiner Sünde, so daß man ihm das Sakrament nicht reichen kann, ohne ihm zu einer größeren Sünde zu verhelfen, so wird ihm, wenn er standhält und nicht ohne weiteres davon läuft, was oft geschieht, immer angeboten, seine Sache der kirchlichen Behörde vorzulegen. Bisher haben alle gebeten es

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 482. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/488&oldid=- (Version vom 1.8.2018)