Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/507

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sei, wenn er, zumal unter geeigneten Bemerkungen, sein Kind bei dem aufgestellten Verweser taufen ließe. Für den Kranken wurde gebetet, daß sich sein Leben länger erstreckte, und Gott erhörte. Den Austrittslustigen wurde gesagt, wie wenige unter ihnen stand halten würden, wenn es zu der herzbrechenden Sache des Austritts aus der Landeskirche kommen sollte. Endlich entschloß sich Vikar Weber, nicht ohne Zureden Löhes, sich „als Kandidat, nicht als Vikar“ für gewisse Notfälle und für die Sonntagspredigt bereit zu erklären, bis sich die Sache erledigen würde. Von da an war wenigstens für die sonntägliche Erbauung Fürsorge getroffen, im übrigen darbte die Gemeinde an geistlichen Gütern und verharrte in diesem traurigen Zustand zwei Monate, ohne daß, abgesehen von einer vereinzelten Taktlosigkeit, etwas Ungeziemendes vorgekommen wäre. Es war ein Gefühl lebendiger Teilnahme mit dem Geschick ihres Hirten, und eine Stimmung gehaltenen Ernstes, was die Gemeinde beseelte; es wurde aber von allen Seiten darüber gewacht, daß Ruhe und Ordnung nicht gestört und keinerlei unreines Feuer fleischlicher Aufregung auf den Altar des Herrn gebracht würde.

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 Es scheint uns angezeigt, dies hier zu betonen und dadurch Schilderungen, wie sie z. B. der verstorbene Konsistorialrat Ranke in den Erinnerungen aus seinem Leben von der in der Neuendettelsauer Gemeinde herrschenden Aufregung gibt, auf ihr richtiges Maß zurückzuführen. Ranke stellt dort seinen in die Suspensionszeit fallenden Besuch in Neuendettelsau als eine Art Wagnis dar, zu dem er sich, trotz dringenden Abmahnens um ihn besorgter Freunde, entschlossen habe. Wer aber, wie der Verfasser dieser Biographie, die damalige Stimmung der Gemeinde kannte, kann nicht zugeben, daß zu einem Besuch in Neuendettelsau von Seiten eines Mitglieds des Kirchenregiments die Entwicklung eines besonderen Mutes nötig gewesen wäre. Die Anerkennung aber soll dem

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/507&oldid=- (Version vom 1.8.2018)